Freiheit für Friedensnobelpreisträgerin

Nach sechs Jahren Arrest darf die birmesische Oppositionelle Aung San Suu Kyi ihr Haus in Rangun verlassen / Die politische Karriere der 50jährigen begann im Alter von zwei Jahren  ■ Von Dorothee Wenner

Berlin (taz) – Vor einem Monat feierte sie ihren 50. Geburtstag, allein in ihrem Haus in Rangun, bewacht von Soldaten der burmesischen Armee. Gäste durfte sie keine empfangen, das Haus verlassen schon gar nicht. Glaubt man den Äußerungen eines birmesischen Militärsprechers, dann ist das seit gestern anders. Nach Angaben aus Rangun ist der seit fast sechs Jahren bestehende Hausarrest gegen die Oppositionelle und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aufgehoben.

Seit dem 20. Juni 1989 wurde Aung San Suu Kyi in ihrem eigenen Haus gefangen und vor allem ruhig gehalten. Dennoch schaffte sie es, ihren Arrest in einen politischen Protest umzuwandeln, dessen internationale Beachtung für die machthabenden Generäle zum Ärgernis wurde. Aung Suu Kyi bekam in Abwesenheit zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter den Sacharow-Preis und 1991 den Friedensnobelpreis.

Aung San Suu Kyis Karriere begann wie die einer politischen Märchenprinzessin: im Alter von zwei Jahren. In jenem Juli 1947, am Vorabend von Burmas Unabhängigkeit wurde ihr Vater Aung San zusammen mit einigen seiner Kabinettsmitglieder erschossen. Der gewaltsame Tod besiegelte Aung Sans Reputation als Held, Revolutionär und Freiheitskämpfer. Seine Popularität überstand das 1962 beginnende Terrorregime General Ne Wins und seiner Nachfolger unbeschadet. Sein Konterfei war auf der ersten größeren Demonstration im Jahr 1988 zu sehen. Auf einem der massenhaft vervielfältigten Fotos hält Aung San ein kleines Mädchen in den Armen: seine Tochter Aung San Suu Kyi.

Als 13jährige hatte diese Burma zusammen mit ihrer Mutter verlassen, die als erste weibliche Botschafterin des Landes nach Indien geschickt worden war. Während dieser Zeit putschte sich General Ne Win an die Macht. Aung San Suu Kyi beschloß, in Indien zu bleiben. In Delhi begann sie politische Wissenschaften und die Philosphie Mahatma Gandhis zu studieren. Anschließend ging sie an die Oxford-Universität, um sich dort ein bißchen widerwillig der Ökonomie zu widmen, „weil Wirtschaft für ein Entwicklungsland von größtem Nutzen zu sein scheint.“ Die frühen siebziger Jahre verbrachte Aung San Suu Kyi als angestellte der UNO in New York, heiratete den britischen Tibetologen Michael Arios und zog mit ihm nach Großbritannien. 1973 und 1977 brachte sie zwei Söhne zur Welt, von denen der eine sie 1985 nach Japan begleitete.

Aung San Suu Kyi hatte während ihrer vielen Jahre im Ausland ihre burmesische Staatsbürgerschaft nie abgegeben, war aber nur zu Besuchen in ihre Heimat gereist. Erst als ihre Mutter im April 1988 einen Schlaganfall erlitten hatte, zog Aung San Suu Kyi für mehrere Monate zu ihr ins Krankenhaus nach Rangun. Seitdem hat sie das Land nicht mehr verlassen. Manche halten es für keinen Zufall, daß in dieser Zeit die Macht der Militärs ins Wanken geriet. „Aung San Suu Kyi war im richtigen Moment zurückgekommen“, meint eine Exilburmesin.

Aung San Suu Kyi erste öffentliche politische Äußerung war ein Offener Brief an die Regierung im August 1988, in dem sie die Militärs aufforderte, nicht mit Waffengewalt auf spontane Demonstrationen zu reagieren. Wenige Tage später hielt sie ihre erste Rede vor der berühmten Shwe-Dagon-Pagode in Rangun. Mehrere hunderttausend Menschen kamen, die Tochter Aung Sans zu sehen und zu hören. Ihre enthusiastisch aufgenommene Rede löste bei den Militärs einen Schock aus: Die Oppostion hatte eine charismatische Integrationsfigur bekommen.

Der internationalen Reputation wegen versprach Burmas Junta nach einem Massaker im September 1988, das dem um den Pekinger Tiananmenplatz um nichts nachstand, Wahlen. Bis es im Mai 1990 so weit war, glaubte kaum jemand, daß sie wirklich stattfinden würden. Aung San Suu Kyi stand an der Spitze eines Bündnisses, der „National League of Democracy“ (NLD). Bereits ein halbes Jahr vor den Wahlen war sie ohne Begründung unter Hausarrest gestellt worden. Die NLD-Parteispitze verschwand in Gefängnissen und Arbeitslagern. Trotzdem gewann die NLD 80 Prozent der Sitze in der Nationalversammlung. Sitze, die nie eingenommen wurden, denn die Militärs weigerten sich, ihre Macht abzugeben. Aung San Suu Kyi blieb unter Hausarrest.

Kommentar Seite 10