Sanssouci
: Rundumschlag

■ Wohnkultur Folge 14 Wie blende ich den Besuch?

Der größte Cognacschwenker, den ich jemals gesehen habe, stand bei meiner Tante auf dem Flokati. Nicht, daß sie dem Alkohol übermäßig zugesprochen hätte – nein, der überdimensionale Glaspokal war bis zur Hälfte mit internationalen Streichholzbriefchen gefüllt, so daß jeder Besucher gleichsam mit dem Anzünden seiner Zigarette sehen konnte, daß meine Tante schon im Interconti von Honolulu logiert hat. Hat sie aber gar nicht. Da sie das Sauerland zeit ihres Lebens allenfalls für eine Woche Vollpension auf Langeoog verließ, vermute ich, daß sämtliche Streichholzbriefchen Mitbringsel von wirklich Weitgereisten waren. Trotzdem tat der Cognacschwenker als Renommierobjekt gute Dienste.

Überhaupt läßt sich im Dunstkreis von Rauchmitteln und zugehörigen Utensilien prima glänzen und den sozialen Status aufmöbeln. So zum Beispiel mit einem original Siebziger-Jahre-Zigaretten-Anbieter, einer Art lederbespannten Mini-Urne, die auf Knopfdruck den Inhalt zweier Zigarettenpackungen fächerförmig ausspuckt und so ganz beiläufig die Hierarchie zwischen Gast und Gastgeber zementiert.

Auch Bücher eignen sich gut zum Protzen. Man muß sie nicht einmal lesen, sie müssen nur gelesen aussehen. Ich kenne Menschen die vor dem Eintreffen ihres Besuchs eine Auswahl aufgeschlagener Bücher in der Wohnung verteilen und hie und da Lesezeichen in unberührte Wälzer stecken. Oha, denkt der Besuch und hält sich fortan mit literarischen Bemerkungen zurück. Manchmal aber kommen die ganz Schlauen und fragen naßforsch nach Inhalt und Urteil. Um sich Peinlichkeiten zu ersparen, sollte man daher zumindest die Klappentexte gelesen haben. Gut kommt auch ein zerlesenes Exemplar von Lettre auf dem Klo. Es darf aber nicht älter als ein halbes Jahr sein (eventuell durch handschriftliche Anmerkungen am Rand ergänzen!)

Ein anderes Kapitel sind Fotos. Natürlich nicht die profanen Urlaubsbilder mit Freundin im Arm. Hier ist Prominenz unabdinglich. „Ist das nicht Robert Redford neben dir?“ Übertrieben wäre es zu behaupten, man habe Robert Redford auf dem Bild bisher übersehen. Den nachhaltigsten Effekt erzielt einzig und allein der Verweis auf den liebenswürdigen Charakter Robert Redfords und seine unglaublichen Trinker-Qualitäten. Die Foto- Methode hat Zukunft, denn durch den Fortschritt muß nicht mehr mühsam ausgeschnitten und geklebt werden. Gute Dienste leisten heute Computer-Scanner. Spezialfirmen arbeiten bereits an sogenannten „Image-durch-Image-Programmen“, durch die sich von Mutter Theresa bis Rudolf Scharping alles auf die heimische Couch setzen läßt, was Rang und Namen hat. Das hat doch was. Oliver Gehrs