Die Luftfahrtindustrie wird abgewrackt

Daimler plant die schrittweise Demontage der Luft-, Raum- und Rüstungsholding Dasa. 15.000 von heute noch 40.000 Arbeitsplätzen sind gefährdet. Betriebsrat auf Schmusekurs  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Kein rotes Fahnenmeer gestern vor dem Hamburger Congreßcentrum, keine IG-Metall-Megaphone in Nordenham, kein Protestschrei der Bürgermeister von Oberpfaffenhofen, Laupheim oder Speyer: Mit gesetzten Worten starteten die Betriebsratsspitzen der Daimler-Tochter Deutsche Aerospace AG (Dasa) ihren Versuch, den Anfang vom Ende des Luftfahrtindustrie-Standorts Deutschland in letzter Sekunde doch noch zu stoppen. Die Betriebsräte verrieten erstmals Einzelheiten des radikalen Sparprogramms „Dolores“, das die Dasa im Oktober endgültig verabschieden will. Bis 1998, so steht es in dem von Daimler-Spitzenmanagern zusammen mit Beratern von McKinsey erarbeiteten Papier, soll die Dasa ihre Kosten um 50 Prozent senken. Ziel ist es, durch Einsparungen von 900 Millionen Mark jährlich das drohende Minus von vielen hundert Millionen Mark 1998 wieder in ein Plus von über einer Milliarde Mark zu verwandeln. McKinsey empfiehlt eine beispiellose Roßkur: Bis zu 15.000 der noch 40.000 Luftwerker bei der Dasa sollen bis 1998 gehen, große Teile der Produktion ins Ausland verlagert, die Löhne gesenkt, die Arbeitszeit verlängert und ganze Werke geschlossen werden. Die Dasa-Standorte Dresden, Speyer, Laupheim, Varel und Stade stehen vor dem Aus. Die derzeit profitable Dasa-Tochter Daimler-Airbus (DA) soll von 16.000 auf 8.000 Beschäftigte halbiert werden.

Was bei vergleichbar betroffenen Montanbetrieben an der Ruhr zu einer Demonstration althergebrachter Arbeiterpower geführt hätte, rief gestern in Hamburg lediglich die flehentlich vorgetragene Bitte um einen Dialog mit den eigenen Chefs und die Forderung an Bonn nach Subventionsmillionen hervor.

Bittebitte Richtung Bonn und Chefetage

Erwin Hillbrink, Dasa-Betriebsratschef, sagte: „Bislang wurde nicht mit den Betriebsräten gesprochen. Das bedauern wir. Von uns aus bieten wir jetzt den Dialog an.“ Dabei geht es laut Hillbrink um nichts Geringeres als den drohende „Auszug der Luft- und Raumfahrtindustrie aus Deutschland“. Hillbrink will Übergangssubventionen aus Bonn, eine Absenkung der Einsparziele und den Erhalt einer konkurrenzfähigen Flugzeugindustrie.

An Opfern der Arbeitnehmer soll es dabei nicht mangeln: „Wir wollen helfen, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland unter Beweis zu stellen.“ Hillbrink denkt an eine „konzertierte Aktion“ von Politik, Daimler und Arbeitnehmerschaft, wobei letztere flexiblere Arbeitszeiten und Lohneinbußen einbringen könnte. Zweifel am Daimler-Konzern wollte Hillbrink aber nicht äußern: „Wir sind bei Daimler richtig zu Hause.“ Neben dem schwachen Dollarkurs, dem Daimler-Chef Jürgen Schrempp die Dasa-Malaise alleine anlasten möchte, sehen die Betriebsräte jedoch auch Managementfehler wie den Kauf von Fokker (eine Milliarde Mark Verlust 1995) oder die zu zögerliche Erweiterung der Palette von Airbus-Typen als Problem.

Während hinter den Kulissen der norddeutsche IG-Metall-Chef Frank Teichmüller die lauen Betriebsräte drängt, den Schmusekurs aufzugeben, macht sich unter den Dasa-Mitarbeitern bereits stille Resignation breit: Der High- Tech-Arbeiter-Adel weiß nicht, wie er den Abstieg verhindern soll. McKinsey bestärkt den Frust: Unter 40 untersuchten Ländern findet sich Deutschland auf Platz 34 der „Länderattraktivität“ für den künftigen Flugzeugbau. Platz eins hat Indonesien vor England, China, Rußland und Indien.