Osteuropas Nationalisten Hand in Hand

Die Politiker der Slowakei, Serbiens und Rumäniens haben einen gemeinsamen Feind: die ungarische Minderheit in ihren Ländern. Schließen sie bald ein antiungarisches Bündnis?  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

In der slowakischen Regierung brach unlängst ein Streit über die Außenpolitik von Premier Vladimir Mečiar aus. Sein Thema: Wird derzeit eine Kleine Entente wieder ins Leben gerufen werden – ähnlich jenem Bündnis der Zwischenkriegszeit, in dem sich die Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien gegen Ungarn zusammenschlossen? Die Frage, die Außenminister Juraj Schenk vor der Presse in Bratislava entschieden verneinte, war kurz zuvor von Mečiar selbst aufgeworfen worden.

Ende Juli war der slowakische Premier zunächst nach Serbien gereist, wo er Präsident Milošević traf. Seine nächste Reise führte dann nach Rumänien. Dort diskutierte er über den gemeinsamen Erzfeind Ungarn. Erwägt wurde auch die Möglichkeit einer slowakisch-rumänisch-serbischen Kooperation. Details wurden freilich nicht bekannt.

Zufall oder nicht – einer der Gesprächspartner Mečiars, der rumänische Parlamentspräsident Năstase, war fast zeitgleich mit ihm in Serbien gewesen. Nach seiner Rückkehr schwärmte er von der „Sympathie“, die Rumänien dort entgegengebracht werde. Für die hatte sich Năstase in Belgrad mit entsprechenden Bekenntnissen revanchiert. Die „Eintrittspforte zur Lösung der Blockaden“ in Bosnien sei Serbien, so Năstase. Und: Das Embargo und die Sanktionen der UNO gegen Belgrad wären längst „kontraproduktiv, auch im politischen Sinne“. Im übrigen machte der rumänische Parlamentspräsident kein Geheimnis daraus, daß er mit Milošević „verschiedene ökonomische Projekte“ besprochen hatte, für die natürlich erst, wie er nicht vergaß hinzuzufügen, das Embargo aufgehoben werden müsse.

Tatsächlich dürfte das UN-Embargo die serbisch-rumänischen Wirtschaftsbeziehungen nicht allzu stark behindert haben. In Bukarest machen immer wieder Gerüchte die Runde, der rumänische Staat beteilige sich in großangelegtem Maße an dem florierenden Ölschmuggel nach Serbien. Just während Mečiars Besuch in Bukarest behauptete eine Tageszeitung, Iliescus regierende „Partei der sozialen Demokratie“, deren offizieller Chef Năstase ist, helfe beim Schmuggel mit und kassiere dafür Gelder, die ins Parteisäckel flössen. Staatspräsident Iliescu ließ es umgehend dementieren.

Aber ob mit oder ohne Sanktionen – eine engere Kooperation oder gar eine zukünftige Allianz der drei Länder böte sich aus ihrer Perspektive durchaus an. Rumänien und die Slowakei liegen bei den demokratischen und wirtschaftlichen Reformen hinter anderen osteuropäischen Staaten wie etwa Polen oder Tschechien. Ihr internationales Ansehen ist gering, weil in ihnen nationalistische Parteien regieren. Sie haben zugleich die geringsten Chancen für eine Integration in Nato und EU.

Ausgezeichnete Beziehung zu Milošević

Serbien seinerseits versucht seit langem seine internationale Isolation zu durchbrechen und eine Aufhebung der UNO-Sanktionen zu erreichen. Unterstützt wird es darin neben Griechenland am meisten von Rumänien. Dabei beansprucht die rumänische Politik laut eigenem Credo eine Vermittlerrolle im Bosnienkrieg. Während Rumänien jedoch zu keinem seiner Nachbarn störungsfreie oder gar freundschaftliche Beziehungen unterhält, sind die Verbindungen mit Serbien ausgezeichnet und gehen weit über das Maß hinaus, welches notwendig wäre, um zu vermitteln oder sich das Nachbarland nicht zum Feind zu machen.

So empfing im April letzten Jahres der rumänische Präsident Ion Iliescu in Bukarest seinen Kollegen Milošević. Kurz darauf kündigte das Bukarester Außenministerium die Unterzeichnung eines gemeinsamen Grundlagenvertrages mit Rest-Jugoslawien an – ein Vorhaben, das bislang jedoch ohne Begründung aufgeschoben wurde. Ebenso macht sich der slowakische Regierungschef Mečiar für serbische Interessen stark. Während seines Besuches in Belgrad sprach er sich für eine Teilung Bosniens aus, nur so könne der Konflikt in Ex-Jugoslawien gelöst werden.

Die Slowakei, Serbien und Rumänien verbindet noch mehr. In allen drei Ländern leben große ungarische Minderheiten, 600.000 in der Südslowakei, 500.000 in der serbischen Wojwodina und zwei Millionen im rumänischen Siebenbürgen. Ihnen wird häufig vorgeworfen, fünfte Kolonnen Budapests zu sein. Der slowakisch-ungarische Grundlagenvertrag war denn auch eines der Hauptthemen während Mečiars Besuch in Rumänien. Öffentlich verdammte der slowakische Premier gemeinsam mit Parlamentspräsident Năstase Ungarn, das allein die Schuld daran trage, wenn es in den bilateralen Beziehungen zwischen den drei Beteiligten keine Wende zum Positiven gebe. Inoffiziell dürfte Mečiar jedoch eine diplomatische Rüge kassiert haben. Zur großen Bestürzung Rumäniens hatte er sich im März nicht an die Absprache gehalten, die Grundlagenverträge mit Ungarn nur gemeinsam zu unterschreiben.

Letzte Woche versprach Mečiar nun in Bukarest, das slowakische Parlament werde mit der Ratifizierung des Vertrages abwarten, bis Rumänien seinerseits den Grundlagenvertrag mit Ungarn abgeschlossen habe.

Mečiar war allerdings nicht nur nach Bukarest gekommen, um den gemeinsamen Feind auszumachen. Er hob auch hervor, daß die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Rumänien und der Slowakei intensiviert und gemeinsame Anstrengungen zur europäischen Integration der beiden Länder unternommen werden müßten. Konkret unterstützt die Slowakei Rumäniens Absicht, in die Višegrad- Gruppe aufgenommen zu werden, zu der Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn gehören. Denn in ihr gilt die Slowakei als wirtschaftlich schwächstes und politisch alleinstehendes Land.

Nach dem für Rumänien so schockierenden Alleingang Mečiars im März herrschte denn nun wieder Zufriedenheit bei Rumäniens Regierungspolitikern. Offiziöse Bukarester Medien sprachen es aus: Sie registrierten lobend die „Umkehr der Slowakei auf den richtigen Weg“.