„Sarajevo ist der Schlüssel“

■ Der Präsident des bosnischen Parlaments, Miro Lazović, lehnt die Teilungs- und Konföderationsideen der US-Bosnien-Initiative ab

taz: Wer zieht den größten Nutzen aus den Nato-Luftangriffen auf serbische Stellungen?

Miro Lazović: Die Bürger Sarajevos. Sie werden nach dreieinhalb Jahren wieder einmal das Gefühl haben, normal leben zu können. Das Ultimatum zum Rückzug der schweren Waffen und die Bombardierung waren nötig, damit die Aggressoren aus Pale zur Vernunft kommen. Wahrscheinlich werden sie sich jetzt an den Verhandlungstisch setzen.

Wie ernst nehmen Sie denn, daß Radovan Karadžić sich jetzt dem serbischen Präsidenten Milošević unterworfen hat und die bosnischen Serben Teil der Verhandlungsdelegation Rest-Jugoslawiens sind?

Karadžić hat nie unabhängig gehandelt. Er stand immer unter dem Einfluß von Milošević. Erst recht General Ratko Mladić: Der bezieht sein Gehalt aus Belgrad. Karadžić ist ein Verlierer. Er ist politisch isoliert. Milošević muß sich aber jetzt völlig von Karadžić distanzieren. Er will jetzt die Rolle eines Friedensstifters spielen, und da paßt die Gesellschaft von Karadžić nicht dazu.

Wenn es jetzt zu einer Aufteilung Bosniens kommt, wie die US- Initiative dies vorsieht, und die bosnischen Serben mit Serbien und die bosnischen Kroaten mit Kroatien konföderieren, was bleibt dann noch für die bosnische Regierung?

Nichts. Und diese Idee, daß ein Teil des Landes mit einem anderen Staat konföderieren darf, ist auch der große Fehler der US-Initiative. Bosnien ist ein Schiff, das in Schieflage geraten ist. Einige versuchen, die Ladung ganz auf ihre Seite zu ziehen. Wir wollen das Schiff wieder aufrichten. Wenn es wirklich zu einer Teilung kommen würde, bedeutete dies die Zerstörung des bosnischen Staates. Es muß eine Lösung gefunden werden, die die Reintegration Bosniens ermöglicht.

Würde es das Schiff stabilisieren, wenn die bosnische Armee jetzt die Stellungen einnimmt, die die Nato zerstört hat?

Die internationale Gemeinschaft hat sehr großen Einfluß auf das, was dort geschieht. Die bosnische Armee hat strikte Anweisung, sich jetzt nicht in die Kämpfe einzumischen.

Der bosnische Armeechef Rasim Delić hat gesagt, daß die US- Initiative, so wörtlich, ohne Kopf und Schwanz sei. Trifft das zu?

Die US-Initiative hat Schwanz und Kopf. Nur was zwischen Schwanz und Kopf steht, ist noch nicht ganz so klar. Die Einzelheiten müssen ja noch ausgehandelt werden. Wir sind offen für Modifikationen.

Ist Goražde unverzichtbar?

Srebrenica und Žepa waren auch unverzichtbar. Wenn Karadžić versucht, Goražde zu erobern, bin ich sicher, daß die Serben in Sarajevo nicht werden bleiben können. Karadžić hat Srebrenica und Žepa erobert und sofort danach die serbischen Städte Grahovo und Glamoc verloren. Deshalb ist es notwendig, eine politische Lösung zu finden, die die Bevölkerung von Goražde dort läßt und Sarajevo als multiethnische Stadt bewahrt.

Sarajevo ist der Schlüssel zur Lösung der gesamten Situation. Die Lösung, die hier gefunden wird, wird auch für ganz Bosnien gelten. Deswegen bin ich dafür, daß die bosnischen Serben in Sarajevo weiterleben können. Interview: Georg Baltissen, Bonn