Aufforstung ist ein Geschäft

In Paraguay streiten sich Umweltexperten um internationale Gelder. Derweil droht der Wald in wenigen Jahren völlig zu verschwinden  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro (taz) – Paraguays Naturwald stirbt im Stundentakt. Alle sechzig Minuten verschwinden fast 60 Hektar Grünfläche. Von den neun Millionen Hektar Wald, die 1945 das südamerikanische Land bedeckten, sind gerade 800.000 Hektar übriggeblieben. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die seit zehn Jahren die Ausbildung von Forstwissenschaftlern in Paraguay fördert, sind allein zwischen 1984 und 1991 vierzig Prozent des Waldes verschwunden.

Doch von großen Aufforstungsprojekten können die rund vier Millionen Einwohner nur träumen. Bis jetzt beschränkt sich die Regierung auf Schadensbegrenzung. Mit einer neuen Umweltverordnung soll verhindert werden, daß Viehzucht und Sojaanbau die letzten Wälder zerstören. „Wir haben keine Zeit mehr Strategien zu entwickeln. Die Aufforstung muß parallel laufen“, meint ein GTZ- Experte aus der Hauptstadt Asunción, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Diese Meinung vertritt auch Brigitte Garcia, Vorsitzende der paraguayischen Nichtregierungsorganisation OIPIC (Organisacion Internacional de Preinversion y Comercio): „Schluß mit Studien und Strategien, damit kriegt die Frau auf dem Land ihre Kinder nicht satt“, beschwert sich die Umweltschützerin. Wenn bald in Paraguay kein Baum mehr stünde, verlören über 400.000 Schreiner, Tischler und sonstige Arbeiter aus der Holzbranche ihren Job, ganz zu schweigen von dem Brennholz, das den Ziegelfabriken ausgeht.

Die Sorge der Umweltschützer hält man im staatlichen Umweltsekretariat für übertrieben. Die Regierung in Asunción beantragte im vergangenen Jahr beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) zunächst einmal ein zwei Millionen Mark teures Planungsprojekt zum Thema „Waldschutz und Wiederaufforstung“, dessen Fortschritte gerade von einer Delegation aus Deutschland überprüft wird. „Unser Projekt pflanzt nicht selbst Bäumchen, sondern schafft die gesetzlichen Voraussetzungen dafür“, erleutert Projektleiter Gerhard Stöhr. Erst kürzlich sei eine Verordnung in Kraft getreten, wonach die Aufforstung staatlich subventiert werde. „Das Rohkonzept dafür hat die GTZ erstellt“, erläutert Stöhr. Demnach werden in Paraguay künftig 75 Prozent der Investitionen für Wiederaufforstung vom Staat zurückerstattet. Allerdings gilt dies nur für forstwirtschaftlich geeignete Böden und unter der Voraussetzung, daß 80 Prozent der Setzlinge nach einem Jahr angegangen sind.

Auch Kritiker des Planungsprojektes sind sich darüber im Klaren, daß die Bundesrepublik nicht ganz Paraguay wieder aufforsten kann. „Das Know How für Wiederaufforstung ist in Paraguay vorhanden. Das BMZ bräuchte lediglich die Beratung und Nachbetreuung durch eine paraguayische Expertengruppe finanzieren“, schlägt ein GTZ-Experte vor. Die Kosten pro Hektar Wiederaufforstung beliefen sich auf 2 000 Mark.

Vorschrift zum Walderhalt gilt nur für Großbauern

Nach Ansicht des Fachmannes aus Asunción ist eine der Hauptursachen für den rapiden Kahlschlag das Gesetz, wonach 20 Prozent des Waldes auf einem Grundstück von über 20 Hektar erhalten werden müssen. Da die Mehrheit der Kleinbauern auf Parzellen arbeitet, die wesentlich kleiner sind, führt dies zu einer immer größeren Zerstückelung der landwirtschaftlichen Nutzfläche – und zur kompletten Entwaldung. Großgrundbesitzer mit Anwesen von über 1000 Hektar verdienten hingegen deutlich mehr durch Viehzucht oder Sojaanbau als durch die Waldwirtschaft.

„Der Übergang zur Demokratie hat dem Wald geschadet, die meisten Bäume wurden in den letzten zehn Jahren abgeholzt“, erläutet OIPIC-Vorsitzende Brigitte Garcia.

Paraguay wird seit 1954 von einer Partei, den „Colorados“, regiert. Im Mai 1993 wurde „Colorado“-Kandidat Juan Carlos Wasmosy bei den ersten freien Wahlen nach über vierzig Jahren Diktatur zum Staatsoberhaupt gewählt. Ironischerweise, so Brigitte Garcia, sei der ehemalige Diktator Stroessner ein großer Naturliebhaber gewesen. Nun besteht ihrer Ansicht nach die einzige Chance zur Rettung des Waldes in einer massiven Aufklärungskampagne insbesondere der ländlichen Bevölkerung. Die Warnungen der OIPIC-Vorsitzenden werden sowohl vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit als auch von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) bestätigt.

Doch für das OIPIC-Projekt in Höhe von 500 000 US-Dollar, das den Anbau von exotischen Hölzern für den Export vorsieht, hat sich noch kein Sponsor gefunden. „Die Aufzucht exotischer Hölzer ist äußerst rentabel, fördert die Entwicklung des Landesinneren, schützt Flora und Fauna und bedeutet für viele kleinbäuerliche Familien eine konkrete Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen“, heißt es in einer Projektbeschreibung an die BID.

GTZ-Mann Stöhr ist inzwischen ebenfalls davon überzeugt, daß „mit Kleinbauern keine große Aufforstung zu gewinnen ist – denn Fortwirtschaft ist ein Geschäft“. Stöhr will bis Jahresende ein Konzept für großangelegte Aufforstungen erarbeiten. „Mit deutscher Entwicklungshilfe ist das nicht zu bewältigen.“ Deshalb versucht er, die Sache der BID und der Weltbanktochter Global Environment Facility schmackhaft zu machen.