■ Ökolumne
: Alter Schröder Von Florian Marten

Globalisierung der Märkte, Jäger 90, Taiwan- U-Boote, am deutschen Auto soll die Welt genesen, Subventionen rauf, Benzinpreis runter – bei soviel prallem modernem Wirtschaftsleben schlackern nicht nur manch altbackenem Sozialdemokraten die Ohren.

m„Moderne Wirtschaftspolitik“ – ein bislang blasses Schlagwort hat in den letzten Wochen und Monaten in der Hand des stämmigen Machtmenschen Gerhard Schröder die Aura einer Geheimwaffe gewonnen. Keiner kennt sie, alle wollen sie haben, doch nur Schröder kennt den Code zur Waffenkammer.

Immerhin läßt er uns, vorausgesetzt genügend Medien horchen auf, ab und an einige Blicke auf sein kostbares Geheimnis werfen: Subventionieren von Rüstung, Flugzeugbau, Stahlerzeugung und Werften ist modern – und natürlich sind es auch Autos, vorausgesetzt, sie stammen aus deutschnationaler Produktion. Modern ist es auch, Parteifreunden, welche die Mineralölsteuer erhöhen wollen und so abartige Dinge wie ein Tempolimit im Sinn haben, übers Maul zu fahren. Was stört es da, daß Ford-Vorstand Rainer Nistl einen Anstieg der Mineralölsteuer empfiehlt, weil nur so „positiver Druck“ auf die Industrie ausgeübt werden könne. Der autoritäre Ingenieur Piäch und sein Epigone Schröder wissen es besser.

Keine Frage: Gerhard Schröder ist seinem großen Vorbild Franz Josef Strauß inzwischen sehr nahe gekommen. Zwei bullige Aufsteiger und Techniknarren, die Wirtschaft immer dann prima finden, wenn es raucht, kracht und wummst – das Kind im Manne läßt grüßen. Den Emporkömmling von der Leine wärmt auch, wenn die Vorstandschefs und Großbankiers ihm feucht die Hand schütteln, ihm wohlwollend Nachhilfestunden in Weltökonomie verpassen. Mit moderner Ökonomie hat das freilich nichts zu tun. Die Avantgarde der modernen deutschen Industrie sitzt nicht in den gepanzerten Limousinen von Daimler und am Kopf der Vorstandstische, es ist die zweite und dritte Managerebene, es sind junge und kleine Unternehmen. Die aber setzen auf regionale Netzwerke der Produktion, Ökosteuer, innovative Produkte und die Renaturierung der Elbe (Otto-Versand). Schröders biederer Staatssubventionsmus in Altindustrien ist Wirtschaftspolitik aus dem Neandertal.

Sein Rezept, die SPD zur „modernsten Wirtschaftspartei in Deutschland“ zu veredeln, indem er mit Bossen plauscht, Sozialstaatsreliquien wegputzt und mit dem Subventionsklingelbeutel wedelt, findet nur deshalb soviel Aufmerksamkeit, weil die SPD in einer tiefen Sinn- und Orientierungskrise steckt. Der alte SPD- Katechismus ist futsch: Staat ist prima, Industriearbeit das Allerhöchste, ein bißchen Umverteilung kann nicht schaden – diese goldenen Regeln der 60er Jahre haben heute keine Gültigkeit mehr.

Schröder kann sich so leicht profilieren, indem er den Finger recht präzise in manche Wunde legt: Natürlich globalisieren die Märkte sich. Natürlich muß Politik heute mit der Wirtschaft reden, statt bloß Gesetze zu erlassen und an Parteitagsbeschlüssen zu bosseln. Allerdings gilt auch: Das Ozonloch vergrößert sich, die Armutswanderung nimmt zu – die Ausplünderung des Planeten muß, so meint übereinstimmend die Wissenschaft, noch innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre gestoppt werden, sonst sind irreparable Schäden nicht mehr zu verhindern. Schröder spöttelt abschätzig über diese Leute, „für die es ständig fünf vor 12 ist“.

Offenbar hat Schröder nicht die geringste Vorstellung davon, wie radikal und grundlegend in den nächsten Jahren „moderne“ Wirtschaftspolitik betrieben werden muß – selbst das bieder-brave SPD-Parteiprogramm ist ihm hier Lichtjahre voraus. Moderne Wirtschaftspolitik, das heißt Ökosteuer einführen, das Steuersystem umbauen, den Sozialstaat reformieren, öffentlichen Dienst revolutionieren, Arbeitswelt flexibilisieren und humanisieren. Und natürlich Produktinnovation noch und noch: Warum baut Airbus kein Flugzeug mit Wasserstoffturbine? Warum hat Daimler die Solarzellentechnologie aufgegeben? Warum beherrscht Shimano den Fahrradtechnologieweltmarkt? Warum baut Frankreich den überlegenen Hochgeschwindigkeitszug?

Konzerne wie VW, Daimler und Siemens zählen zu den größten Gefahren für den Standort Deutschland, weil sie Innovationen verhindern. Moderner Schröder? Nein, Steinzeitpolitik, welche Deutschlands Wirtschaft und unserem Planeten gleichermaßen schadet.