„Besinnungslos mutig“

■ „Zeit“-Gründer und „Stern“-Verleger Gerd Bucerius ist tot

„Dieser Mann ist eine Zumutung für jeden Biographen“, schrieben Uwe MÜller und Hans- Jürgen Jacobs über ihn 1990 in ihrem Porträtband über Deutsche Mediendynastien „Augstein, Springer & Co.“ Und daß in seinem Leben „Überraschungen und Kehrtwendungen der Normalfall“ gewesen seien. Am Freitag starb der Bausenator und Bundestagsabgeordnete, der Verleger und Publizist, Zeit-Erfinder und „Gruner+Jahr“-Gründer, Gerd Bucerius, 89jährig in Hamburg.

Am 19. Mai 1906 in Hamm geboren, arbeitete Bucerius nach dem Jurastudium zunächst als Richter und verteidigte im Dritten Reich Juden und andere Verfolgte des Naziregimes als Anwalt. „Besinnungslos mutig“, sei er in dieser Zeit gewesen, hat seine spätere Mitstreiterin Marion Gräfin Dönhoff einmal erklärt. 1945 wurde Bucerius Bausenator in Hamburg. Als einziger Bundestagsabgeordneter der CDU sprach er sich 1961 gegen Adenauers vierte Kanzlerschaft aus; ein Artikel im Stern „Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?“ warf im CDU-Bundesvorstand die Frage auf, ob der Stern-Verleger für die Partei noch tragbar sei. Wegen dieses, so Bucerius, „unbegreiflichen Falls von Intoleranz“ erklärte er wenig später selbst seinen Parteiaustritt und bekannte, fortan Wechselwähler zu sein.

Schon 1946 gründete Bucerius Die Zeit. 1951 erwarb er die Mehrheitsanteile an der Illustrierten Stern von Henri Nannen. 1965 schloß sich Bucerius mit den Verlegern John Jahr und Richard Gruner zum Großverlag „Gruner+Jahr“ zusammen, dem damals größten Pressekonzern nach dem Axel-Springer-Verlag.

Bucerius gab seine Anteile 1973 an Bertelsmann ab und erhielt im Tausch 11,5 Prozent der Bertelsmann-Konzern-Aktien. 1969 nahm kinderlose Bucerius Die Zeit, sein Lieblingsprojekt, aus dem Gruner-und-Jahr-Verlag heraus und übertrug die Titelrechte an dem Blatt 1973 der Zeit-Stiftung, die den liberalen Charakter der Wochenzeitung auf Dauer garantieren sollte. Die publizistische Leitung des Zeit-Verlags übertrug Bucerius 1985 an Altbundeskanzler Helmut Schmid. klab