Ich bin doch kein Sozialarbeiter

■ Indisches Kulturfestival im Kito: Satire ist R.K. Laxmans Zuhause. Nur bigotte Extremisten haben keinen Zutritt

“Es hat sich alles so ergeben.“ Wie könnte man eine Karriere als Künstler in Indien, als Cartoonist noch dazu, sonst erklären? Rasipura Krishnaswamy Laxman, heute schon in den Siebzigern, kichert. „Wissen Sie, ich bin sogar ein Doktor.“ Er stellt sich auf die Zehenspitzen, legt die Hände erfurchtsvoll vor der Brust gegeneinander und macht einen Diener. „Guten Tag, Herr Doktor.“ Doch, natürlich gefiel ihm der Ehrentitel von der Universität von Marathwada. Keine Frage. „Davon kriege ich nie genug. Ich habe jede Menge Auszeichnungen“, lacht er. „Aber ist es nicht komisch. Ich ein Doktor. Für Literatur.“

Noch komischer war nur die Nummer mit Indira Ghandi. „Auf der habe ich jeden Tag herumgehackt. Bomm. Bomm. Bomm“. Der alte Herr stößt den Kugelschreiber kraftvoll wie einen Degen in ein imaginäres Gegenüber. „Trotzdem hat sie mich zum Sir geschlagen.“ Keine Verwunderung ist in seinen Worten. Kein Lachen mehr. Auch kein Triumph. Hier ist der Brunnen so tief, daß er sein eigenes Echo schluckt. Einmal, so scheint es, hat die große Ministerpräsidentin gezielt zurückgeschlagen. Und getroffen. Laxman, Cartoonist und also Meister der Symbolik, hat die Geste wohl dechiffriert. Sein Kürzel, R.K. Laxman, war zu der Zeit bereits ein Gütesiegel für kritischen Humor.

„Seit ich drei bin, male ich.“ Sowas zu erzählen ist Laxman nicht peinlich. Falls ihm überhaupt etwas peinlich ist. Eher werden ihm die Dinge lästig. Neugierige Fragen beispielsweise. Schlimmer noch: „Fernsehen. Das ist eine Nullfunktion für den Verstand“. Das haßt er. Zeichnen liebt er. „Ich zeichnete von klein auf alles. Steine, Bäume, Tiere, alles was vorüberkam.“ Die Eltern ermutigten ihn nicht, aber sie verboten auch nichts. Laxman zog seine Linien immer gekonnter und setzte die Feder immer höher an. Schon als 20jähriger, als Student der Philosophie, der Ökonomie und der Politik arbeitete er als freier Cartoonist nebenher. Nach dem Diplom ging er zum Free Press Journal in Bombay. Als er ein paar Jahre später „etwas anderes“ machen wollte, klemmte er seine Zeichnungen unter den Arm, spazierte bei der „Times of India“ direkt ins Zimmer des Verlegers, damals ein emigrierter Wiener – „und der nahm mich.“

Laxman blieb. Seit 48 Jahren ist er der Hauscartoonist der großen Zeitung. Es gibt kein nationales oder internationales Ereignis, das er nicht in seinen Humor getunkt hätte. Die Stationen seines Lebens heißen „Mussolini und Hitler“ und „als ich die Auseinandersetzung um Pakistan zeichnete“ und „meine Kolumne –Unser Cartoonist in Übersee.'“ In Indien zählt er zu den Größten seines Genres.

Neben den großen, weltpolitischen Themen zeichnet Laxman alles. Vom Portrait Graham Greenes über „schwarze, große Krähen, die es mir einfach angetan haben“ bis zu Illustrationen für Kinderbücher, die seine Frau verfaßt. Seine „Gesellschaftskarikaturen“ allerdings gehören zum festen Repertoire. Von Anfang an spukte darin der „Kleine Mann“ herum, hielt seinen schütteren Haarkranz ins Bild und beäugte das Geschehen kritisch wie der echte Laxman – nur in rund und älter. So war es jedenfalls die längste Zeit. Erst kürzlich hat Laxman aufgeholt. Die Cartoonfigur in Vaters Alter, das gezeichnete alter ego, wurde immer mehr zum witzigen Bruder. „Der redet kein Wort“. Wie Laxman, wenn er zeichnet.

Acht Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche, steht nämlichein großer Mann vor seiner Tür und verhindert Störungen von Fans, natürlich auch von Feinden. Woher die Briefbombe damals kam, auf der die Amerikanische Botschaft als Absender vermerkt war, weiß Laxman bis heute nicht. „Immerhin hatte ich den richtigen Riecher und rief den Botschafter an“, erzählt er. Aber „Bob“ habe ja von keinem Päckchen gewußt.

Laxmans letztes Gerichtsverfahren liegt noch nicht lange zurück. „Die religiösen Extremisten haben mich vor den Kadi gezerrt“, sagt er. Hindus hätten sich durch seine Zeichnungen in ihren religiösen Gefühlen verletzt gefühlt. „Bigotterie ist ein wachsendes Problem.“ Nicht nur für Regierungen, die mit religiösen Terroristen nicht umgehen können – sondern auch für Humoristen. „Wissen Sie, ich kann mich über soziale Reformer lustig machen. Ich bin schließlich ein ungezogener Mensch und kein Sozialarbeiter. Aber religiöse Gefühle lassen sich einfach schlecht karikieren.“

Eva Rhode

Die Laxmann Cartoon-Ausstellung im KITO ist Di. bis So. von 11-18 Uhr geöffnet