Darlings Darlehen

■ Das Dasein muß man mögen: Franzobels "Krautflut"-Dada

Mit Künstlernamen ist das so eine Sache. Eigentlich ist die Ersetzung des eigenen Namens – wie blöd er auch sei – durch einen anderen eine etwas altmodische Eitelkeit. Franzobel zum Beispiel. Als ich das erste Mal den Namen „Franzobel“ hörte, dachte ich, das müsse ein Trottel und Dummkopf sein, der sich so einen irgendwie ja auch niedlichen Namen gebe. Franzobel wäre so was wie Ringsgwandl, dachte ich, ohne mit Ringsgwandl mehr zu verbinden, als ein kleines Männchen, das gelenkig herumkaspert.

Was Franzobel nun bedeutet, und wie man das ausspricht, weiß ich immer noch nicht. Beim diesjährigen Klagenfurter Dichterpreislesen jedenfalls war der Vortrag des 28jährigen Dichters der unumstrittene Höhepunkt und auch sehr lustig. Lachend lag sich das Publikum in den Armen, die Juroren freuten sich, nun doch noch einen gefunden zu haben, dem sie den Preis ruhigen Gewissens geben konnten, und der Suhrkamp Verlag kaufte sich den sympathischen Biertrinker.

„So muß das Leben schmecken. Das ist das Dasein“, heißt es in dem begeisternd musikalischen Text „Krautflut“, den er damals vorlas und der jetzt noch rechtzeitig zur Messe erschienen ist.

„Die neueste Idee von unserem Dasein. Sie schalten, das Dasein kuppelt. Darling, jeden Tag ein Darlehen. Slipeinlagen bleiben einfach besser in Form. Und den Stil können Sie genau auf ihre Größe einstellen. Das Selbst braucht den richtigen Biß. Das Dasein mag man eben. Mutter, wie wird so ein Dasein gemacht? Das ist ganz einfach, man nimmt eine gute Zukunft mit guten Zinsen und den Stil kann man genau auf seine Größe einstellen. Das Dasein zur Einführung. So soll es sein. Frische, mehr Frische, ich brauche das Dasein, dieses morgenfrisch gepflegte Gefühl. Das Dasein ganz für mich allein.“ Und so geht's dann weiter und hangelt sich in schwindelnde Höhen, ohne doch je abzustürzen oder in Wiener-Gruppen-Epigonentum zu verenden.

Es ist seltsam, daß sein Vortrag so beeindruckt, denn eigentlich liest er viel zu schnell, nuschelt und verschluckt beim Vortrag die eine oder andere Pointe, als schäme er sich, den Text zu sehr mit Effekten vollgestopft zu haben. Wenn man Franzobel zuhört, kann man meist erst dann lachen, wenn er schon wieder ganz woanders ist.

Wer Lust dazu hat, kann den Weg, den der Text geht, kann seine Techniken der Fortbewegung – Wortähnlichkeiten, Metonymien, Zitate, Assoziationen, Wortvertauschungen, Palindrome – nachzeichnen. Befriedigt darüber, daß alles seine Ordnung hat, kann man sich dann zurücklehnen, ohne allerdings allzuviel gewonnen zu haben. Denn eigentlich funktionieren Franzobels Texte ähnlich wie Witze. Man kann sie nur genießen, wenn man sie gleich versteht. Vielleicht kann man sie auch – wie einen Witz oder einen tollen Sommerhit – nur ein oder zweimal komisch finden. Als ich „Krautflut“ noch einmal las, schien mir der Text dann doch zu sehr mit kalkulierten Effekten zu arbeiten.

„Krautflut“ ist wie eine seltsame, hochkomplizierte, völlig überflüssige Maschine, die nichts herstellt und deren Funktionieren man wie ein Kind vor allem anstaunt. Subjekte, Themen, Morde und Ich-Verluste gibt es eher nebenbei. Worte und Sätze haben keine festen Bedeutungen. Sie bieten vor allem verschiedene Möglichkeiten, sie mit anderen Worten und Sätzen zu kombinieren.

Das heißt nicht, daß sie L'art- pour-l'art-mäßig im bedeutungsfreien Raum herumfliegen würden. „Selbst“, „Slipeinlage“, „Stil“, „Dasein“, „Darling“ zitieren natürlich auch Wirkliches und werden so erst komisch, lustig, nun ja auch: politisch-kämpferisch, wenn der Dichter mit dem Sprachdesign der Werbung spielt. Daß „Krautflut“ auch eine Erzählung ist, in der es um einen Eifersuchtsmord geht, sei nur nebenbei erwähnt. Die Begeisterung über Franzobels Texte, hielt auch vor, als ich mit Jörg Magenau, Literaturredakteur beim Freitag, von Klagenfurt nach Berlin fuhr. Zwischen Klagenfurt und Salzburg lachten wir uns halb tot über Franzobels Buch „Das öffentliche Ärgernis“, das in der kleinen „edition Selene“ erschienen ist. Besonders ein Satz der Trash-Komödie hatte es uns angetan: „An seinem Oberarm war ein tätowierter Anker, doch bald malträtierte er die Mannschaft wie ein Kranker: wie ein Punker stank er nach Knoblauch, Haschrauch und Bierbauch.“ Später schlug übrigens ein Kugelblitz in eins der Abteile zwischen Salzburg und München ein, aber das glaubt ja eh wieder keiner. Detlef Kuhlbrodt

Franzobel: „Krautflut“, Edition Suhrkamp 1995, zahlreiche Abbildungen, 94 Seiten, 12,80 DM