Hochschulkompetenz auf Sparflamme

■ Abgeordnete diskutierten in der Humboldt-Universität über Hochschulpolitik: Die Vertreter von SPD und CDU wollten das Publikum nicht erschrecken. Sibylle Volkholz konfrontierte dagegen die Hochschulen mit

An ihren hochschulpolitischen Sprechern sollt ihr sie erkennen. Jedenfalls zeigt sich die Bedeutung, die die Fraktionen einem Politikfeld zumessen, auch in der Qualität des Personals, das sie damit betrauen. Einigermaßen überflüssig war daher die Frage der Moderatorin Brigitte Reich an die fünf Abgeordneten, die am Montag abend auf Einladung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in der Humboldt-Universität über „Perspektiven der Hochschulpolitik“ debattierten. „Welche Priorität hat der Wissenschaftshaushalt für Ihre Partei?“

Die fleischgewordenen Antworten saßen bereits neben Reich auf dem Podium. Das sei eine „relativ schwierige Frage“, entgegnete Eberhard Engler (CDU) mit einem regungslosen Gesichtsausdruck, dem man mühelos entnehmen konnte, daß ihn die Frage tatsächlich überforderte. „Ich gehe davon aus, daß der Wissenschaftshaushalt der drittgrößte Posten ist“, daran solle man nicht rütteln. Ob der Etat für die Universitäten nicht beschnitten werden oder nur trotz Kürzungen an dritter Stelle bleiben solle, ließ er absichtsvoll im dunkeln.

Auch sein SPD-Kollege Bert Flemming mochte das Publikum nicht erschrecken und verlegte sich aufs Einschläfern, ein Feld, auf dem er seinem CDU-Kollegen in nichts nachsteht. Er kritisierte zwar, daß die Bildungsfinanzierung in den letzten Jahren von 15 auf 11 Prozent zurückgegangen sei, nannte aber weder den Zeitraum noch die Ausgangsgröße, auf die sich diese Zahlen bezogen. Der bündnisgrünen Spitzenkandidatin Sybill Klotz warf er vor, „bei den Großprojekten und bei den Hochschulen“ sparen zu wollen. Sein Rezept: Alles hänge davon ab, „was in Bonn bereitgestellt wird“. Dem diffusen Konsens der beiden Herren stellte Sybille Volkholz die ganze Härte bündnisgrüner Sparpolitik entgegen. Auch sie monierte zwar, daß in der Vergangenheit jedes halbe Jahr die Vorgaben für die Unis wechselten. Ihre Schlußfolgerung aber war genau entgegengesetzt: „Man muß den Hochschulen klar sagen, womit sie zu rechnen haben.“ Angesichts einer Deckungslücke von vier Milliarden Mark im Doppelhaushalt 1995/96 könnten auch die Hochschulen nicht ungeschoren bleiben. Bei diesen Aussichten begann sogar ein zuvor friedlich schlafendes Kleinkind herzzerreißend zu brüllen.

Zustimmung zum Sparkurs kam allein von Wolfgang Girnus (PDS), den seine Fraktion für einen Wissenschaftsexperten hält. Es gelte, Sachverstand und Kassensturz zu verbinden, „wie es Frau Volkholz sehr sachkundig mit Zahlen untermauert“. Zur Debatte um das Wissenschaftszentrum Adlershof wußte er beizutragen, daß man dorthin eine Stunde mit der S-Bahn fahre, während der Abstand zwischen Natur- und Geisteswissenschaften in Zürich nur zehn Straßenbahnminuten betrage.

Ein wenig lebendiger wurde die Debatte, als Betroffene aus dem Publikum nach einer möglichen Verlängerung des Wissenschaftler-Integrationsprogramms (WIP) fragten, das nächstes Jahr ausläuft. Ein stark emotionalisierter und offenbar kurzsichtiger Redner wandte sich an „Frau Vorholz“, um deren Argument von den im Berliner Haushalt fehlenden „vier Millionen“ zu entkräften. „Milliarden“, verbesserte Volkholz, „dat sind immer tausend Millionen.“ Ralph Bollmann