■ Der EU-Gerichtshof wurde bei seinem Urteil gegen Frauenquoten deutlich: Die positive Diskriminierung von Frauen dürfe nicht zur Benachteiligung von Männern führen, so heißt es da. Ist dies das Aus für alle Gleichstellungsversuche?
: Fördern

Der EU-Gerichtshof wurde bei seinem Urteil gegen Frauenquoten deutlich: Die positive Diskriminierung von Frauen dürfe nicht zur Benachteiligung von Männern führen, so heißt es da. Ist dies das Aus für alle Gleichstellungsversuche?

Fördern – aber nicht bevorzugen

„So einen Presserummel gab es bei der Einführung der Quote nicht.“ Einigermaßen überrascht reagierte Bremens Frauensenatorin Tine Wischer auf das große öffentliche Interesse an dem Beschluß des Europäischen Gerichtshofs gegen die Frauenquotierung im öffentlichen Dienst. Tatsächlich hat sich nämlich in den vergangenen fünf Jahren trotz Quote die Geschlechterverteilung in den Behörden kaum verändert. Während in Bremen im „einfachen Dienst“ Frauen zu 75 Prozent vertreten sind, gibt es im „höheren Dienst“ weiterhin 70 Prozent Männer. Auch in den anderen Bundesländern mit Quote – Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein – ist die Situation ähnlich.

Verschwindend gering ist die Zahl der Stellen, bei denen die Quote tatsächlich angewandt wurde. Daß die Luxemburger Entscheidung von Tine Wischer dennoch als „massiver Schlag ins Kontor“ gewertet wird, liegt an den „atmosphärischen Veränderungen“, die die Quote gebracht habe. „Früher gab es einen Automatismus, daß bei Beförderungen immer der bevorzugt wurde, der am längsten im Amt war“, beschrieb dies gestern Bremens Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe, „und das war eben in aller Regel der Mann.“ Gleichqualifizierte Frauen hatten keine Chance. Dies habe sich unter der Quote verändert.

Der frauenpolitische Rückschlag durch das Luxemburger Urteil kam nicht unerwartet. Der italienische EU-Generalanwalt Giuseppe Tesauro hatte bereits in seinem Schlußplädoyer die Frauenquote als eindeutig unvereinbar mit der EU-Richtlinie zur Gleichberechtigung bezeichnet. Die habe nämlich keineswegs eine „rein numerische Quotierung“ im Sinn. Gewollt sei lediglich die Verbesserung der „Ausgangsposition“ von Frauen – zum Beispiel durch gezielte Maßnahmen, die es ermöglichen, „die familiären und beruflichen Verpflichtungen miteinander zu verbinden“, schrieb Tesauro. Dies sei „im Sinne einer Ermutigung zu verstehen und gewiß nicht als mechanische Präferenz“.

In den 80er Jahren urteilte das EU-Gericht anders

Die 15 Männer im Luxemburger Gericht haben mit der Übernahme dieser Rechtsposition eine Tendenz fortgesetzt, die sich bereits seit 1990 abzeichnet. Während der Europäische Gerichtshof in den 80er Jahren in mehreren Urteilen als Schrittmacher für die Frauengleichstellung in den EU-Mitgliedsländern aufgetreten war, kam vor fünf Jahren die „Trendwende“, so die Bremer Europa- Abgeordnete Karin Jöns (SPD). Maßnahmen der „positiven Diskriminierung“ von Frauen wurden nun als Diskriminierung von Männern beurteilt und verurteilt.

Eine Rolle dürfte dabei auch gespielt haben, daß es Quotierungsvorschriften wie in den sieben deutschen Bundesländern in keinem anderen EU-Land gibt. Nur im eigenen Haus kannte Europa eine Quote. Bei Einstellungen und Beförderungen innerhalb der Brüsseler EU-Kommission müssen Frauen „bei gleicher Qualifikation bevorzugt“ werden. So sah es bis gestern das nun ebenfalls ungültige Brüsseler „Aktionsprogramm Frauenförderung“ vor.

Die Frauenquote haben die Europarichter gestern beseitigt. Doch im konkreten Fall des Bremer Gartenbauingenieurs Eckhard Kalanke, dem 1990 bei einer Beförderung seine Kollegin Heike Glißmann mit Verweis auf die Frauenquote vorgezogen worden war, bleibt diese Entscheidung womöglich ohne Wirkung. Über die Rechtmäßigkeit der Stellenbesetzung muß nun nämlich erst einmal das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Am wahrscheinlichsten ist dabei ein Urteil, das Bremen zwingt, das Besetzungsverfahren für die Stelle neu durchzuführen. Daß Kalanke dann jedoch gleiche oder bessere Qualifikationen aufweisen kann als seine Mitbewerberin Glißmann, ist mehr als zweifelhaft. Schließlich kann sie darauf verweisen, die zu besetzende Position fünf Jahre lang erfolgreich ausgefüllt zu haben. Ihr Kollege Kalanke aber steht bis dahin kurz vor der Pensionsgrenze. Dirk Asendorpf, Bremen