■ Mit dem Güterverkehr auf du und du
: Theorie und Praxis

Hamburg (taz) – Bundeskanzler, Verkehrsminister, Bahnstrategen, Binnenschiffer, Verkehrsexperten, Umweltschützer und die Wirtschaft – alle lieben ihn heiß. Ihm gehört die Zukunft, mit ihm geht alles besser. Die Rede ist vom „Kombinierten Ladungsverkehr“ (KLV) – Güterverkehr, der nacheinander verschiedene Transportmittel benutzt. Die unermeßlich anschwellenden Güterverkehrsströme müssen, da sind sich alle einig, auf Schiff und Schiene umgepolt werden – Stau und Abgase erzwingen das. Damit dies auch funktioniert, braucht es die Kooperation von Transportmitteln und Umsteigestellen, die im Fachjargon als logistische Knoten bezeichnet werden.

Die rauhe Wirklichkeit spottet den Sonntagsreden vom umweltschonenden Güterverkehr jedoch Hohn. Gerade erst hat eine präzisere statistische Erhebungsmethode ergeben, daß der Anteil der Brummis am Güterverkehr noch weit höher ist als bislang angenommen, und sie ihren Marktanteil ständig ausweiten. Dabei sind die technischen Bausteine für ein flächendeckendes, umwelt- und sozialverträgliches Logistiksystem längst anwendungsbereit: Ein Baukastensystem ineinander passender Behälter, EDV- Hard- und Software, die die Behälter vollautomatisch vom Absender bis zum Empfänger verfolgt, sowie vollautomatische Umschlagsanlagen. Alle wollen es, die Technik kann es – warum kommt es nicht?

Ein Hauptgrund sind die derzeit noch viel zu niedrigen Kosten des Straßengüterverkehrs. Selbst auf dem Papier kann eine hochmoderne multimodale Transportkette kostenmäßig nicht gegen einen ukrainischen Dumping-Lkw anstinken. Und ein modernes System multimodaler Transportketten verlangt nach vernetzten Lösungen, muß also von einer Vielzahl von Beteiligten gemeinsam entwickelt werden. Statt einer solchen deutsch-europäischen Initiative zur Revolutionierung des Güterverkehrs ist aber derzeit nur nacktes Chaos, wildes Catch-as- catch-can zu beobachten: Die Post hat – völlig unabgestimmt mit der Bahn – ein eigenes System von Frachtzentren aufgebaut, bei der Bahn streiten verschiedene KLV-Fraktionen wüst gegeneinander, die Binnenschiffer hat niemand in der Planung. Und die meisten der derzeit in Planung befindlichen Güterverkehrszentren sind nichts anderes als Lkw- Bahnhöfe an Autobahnkreuzen. Kurz: Politik, Wirtschaft und Transportunternehmen fahren gegenwärtig in holder Eintracht eine von allen gewünschte Verkehrszukunft gegen die Wand. Florian Marten