„Radikal in Portugal“

■ Die „Adelheid Streidel Experience“ und der Spaß an der Schlechtigkeit der Welt und dem Spaß, den man darin haben kann

Sind sie eher komisch, eher fruchtig, oder sind sie ganz einfach die „bewußt unorganisierteste Band der Welt“? Darüber streitet lokales Szenepersonal im Booklet der ersten CD der Bremer „Adelheid Streidel Experience“. So schrecklich unorganisiert kann die Band eigentlich nicht sein, brauchte sie doch nur 3 Stunden, um „radikal in portugal“ in einem Berliner Studio einzuspielen. Dabei gelangen ihr 18 auf den Punkt gebrachte Songs, die Gitarrist Lars schlicht als „Punk“ bezeichnet. Man möchte ihm beipflichten und davon absehen, den x-ten Fantasiebegriff zu erfinden, der auf –core endet.

„A. S. E.“-Sänger Hanno hatte bislang vor allem zwei Reputationen: zum einen, live besser als aus der Konserve zu sein, und zum anderen, ein ziemlicher Kasper vor dem Herrn zu sein. Man könnte auch sagen, daß letzteres ersteres bedingt. Auf dem Album demonstriert er nun, daß er sehr wohl anders kann. Er formuliert ernsthafte Gedanken übers Patriarchat und die restlichen Zustände unserer Welt in Songs wie „Still Pretending a Smile“, „Kopenhagen“ oder „Hoffnungslos“. In „Schuldig“ und „Check“ stürzt er sich kopfüber in die Selbstzerfleischung. Dabei kommt seine Stimme stets mit der voranpreschenden Musik mit, was noch auf der Debüt-Single der Band, die wie das Album beim hauseigenen „Gags & Gore“-Label erschienen ist, nicht immer der Fall war. Hilfreich war dabei diesmal sicherlich auch die schmeichelhafte Produktion, die vor allem von Bandmitglied „Quaddel“ angeführt wurde, Bremens virtuosestem und ältestem Trommler.

Trotz aller löblicher Ernsthaftigkeit sind „A. S. E.“ nach wie vor am besten, wenn sie dem Ernst eine lange Leine lassen und mal ein kleines Späßchen wagen. Einen ernsten Hintergrund muß das ja keinesfalls ausschließen. So kann man „Mantel aus Schnurrbärten“ als Statement gegen Sexismus verstehen oder es einfach brüllend komisch finden, daß da eine Serienmörderin umgeht, die sich für die kalte Jahreszeit etwas Ungewöhnliches hat einfallen lassen: „Du denkst doch immer nur an Paarung / aber ich will nur deine Gesichtsbehaarung / ich näh mir einen Mantel aus Schnurrbärten“.

Schöne, aber nicht unernste Späße treibt die Band auch mit den Konventionen des eigenen kulturellen Umfelds: „Punk as Fuck“ ist ein einziges Gebrülle und Gebolze übers Stützebeziehen, Betrunkensein und Hundebesitzen, „You'll Never Rock Alone“ zelebriert mit Nirvana-Riff und gebrülltem Chor-Refrain das Tourleben, in „Straight Edge Except for Friday Night“ erfahren die Dogmatiker der Hardcore-Szene, daß sie doof sind und alles mal ein bißchen lockerer sehen sollen.

Andreas Neuenkirchen