Herzblut und quicke Finger

■ Musikhalle: Neeme Järvi und die Göteborger Symphoniker

Neeme Järvi steht sehr gerade beim Dirigieren. Die Arme bewegt er nur eben soviel als nötig; manchmal geht die Hand mit dem Stäbchen unter das Niveau des Notenpultes. Eigenartig. Er gehört zu den Dirigenten, die es lieben, sogenannte sinfonische Schlachtrösser zu durchtrainierten Rennern zu machen. Am Donnerstag abend begann er in der Musikhalle mit einer Art sinfonischem Schoßhündchen, einer Sinfonie Frans Beerwalds.

Dann erschien Barbara Bonney und begann mit „Solveigs Lied“ aus Griegs „Peer Gynt Suite“ und „Frühling“. Mädchenhaft stark ihre Stimme, geschmeidig und wandelbar und wie geschaffen, die naturnahe Mischung aus großer Kunst und großer Einfachheit zu Herzen gehen zu lassen. So begleitet vom Orchester, nicht von ungefähr mit wunderbar durchsichtigen Streichern (Holz, Wald). In Richard Strauss' „Ich wollt' ein Sträußlein binden“ und „Ständchen“ setzte Frau Bonney, auch körpersprachlich, dramatische Akzente mit viel Sinn für raffinierte spätromantische deutsche Musik. Die Zugabe, „Ein Schwan“, wieder von Grieg, ließ das Wasser schäumen, die Oboe der Schwan, die Harfe das Wasser.

Von den Fjälls und Seen Norwegens wechselte die Musik nach der Pause in die Wälderweiten Finnlands. Jean Sibelius' „Zweite Sinfonie“ ist freilich keine programm-musikalische Umsetzung von Landschaft in wunschkonzertliche Münze, obschon ihre Popularität herrührt von der Folkloreseligkeit der Melodien, der Weiträumigkeit ihres Orchesterklangs. Mit festem Zugriff aber schloß Järvi Postkarten-Perspektiven aus; zog die Suada der Ideen des Wiederholungsfeindes Sibelius straff zusammen und ließ mit Herzblut und quicken Fingern musizieren. Den Namen des Komponisten der Zugabe, eines gewissen Steenhammer, mußte er erst beim Konzertmeister erfragen. Dirigieren konnte er ihn auswendig. Stefan Siegert