■ Kausale Zusammenhänge können eine Serie einleiten
: Am besten in Humor flüchten

Das Gesetz der Serie ist der Telefonseelsorge bekannt. Dort soll man anrufen, wenn gleichzeitig die Frau weggelaufen ist, man sich beim Pokern verschuldet und obendrein den Job verloren hat. Es muß nicht immer so kommen, aber auch kleinere Serien können dermaßen durchschlagend sein, daß man sich am Ende umbringt oder in Humor flüchtet. Wer schon mal betroffen war, weiß, daß kausale Zusammenhänge nicht unbedingt seriell sind, aber sein können.

Vor ungefähr zehn Jahren habe ich Urlaub in Griechenland gemacht; da waren wir auf dem Weg zum Flughafen in einen Unfall verwickelt. „Bloß keine Panik!“, dachte ich. Und kam noch pünktlich an. Man ahnt so etwas: Das Flugzeug hatte eine Notlandung. Als ich, trotzdem heil angekommen, mein Gepäck bekam, hatte es einen riesigen braunen Fleck. „Das ist nicht meine Tasche“, sagte ich und wartete ab. Es war aber meine Tasche. Darin war das Tiroler Nußöl ausgelaufen über Bücher, Klamotten, Euroschecks und Zahnbürste. Nachts im Hotel stand ich am Waschbecken und schrubbte mich durch meinen Besitz. In diesem Urlaub wären wir außerdem beinahe ertrunken; mein damaliger Freund bekam eine Mittelohrentzündung; eine Nacht schliefen wir auf einer Baustelle, weil wir an einem Feiertag auf einer Insel ankamen, auf der man an einem Feiertag nicht ankommt; außerdem sind wir am Ende der Reise nicht von der Insel weggekommen, weil der Fährbetrieb wegen Sturms eingestellt war.

Neulich traf es mich wieder. Samstag morgens im Kaufhaus. Der bloße Umstand, daß ich Socken brauchte, trieb mich dort hin. Bargeldlos. Die sieben Paar im Sonderangebot wurden mir zum Verhängnis. Es lag am Magnetstreifen. Von ihm hängt alles ab. Ich hatte ja gewußt, daß der auf meiner Euroscheckkarte seit längerem kaputt war. „Die Rettung ist Visa“, dachte ich. An der Kasse krame ich meine monetäre Glaubwürdigkeit in Kartenformat aus der Tasche: „Ich zahl' Visa!“ Hinter mir steht die Schlange. Die Verkäuferin liest die Karte ein. Außer einem Piepston geschieht nichts. Wiederholung. Wieder nichts. Die Verkäuferin putzt den Streifen an ihrem Ärmel ab und zieht die Karte erneut durch das Ablesegerät. Nur der Ton ist zu hören. Die Abteilungsleiterin nähert sich und mustert mich.

„Die geht nicht! Haben sie keine Euroscheckkarte?“ – „Schon“, sage ich, „aber ich kenne die Geheimzahl nicht!“ Das war eine Notlüge, weil ich doch wußte, daß der Magnetstreifen hinüber war. – „Bitte?“ – „Ich kenne die Geheimzahl nicht!“ Ich hatte nicht damit gerechnet, daß diese Technik bereits überholt ist. „Geben Sie her, die Geheimzahl brauchen wir nicht.“ – „Können Sie nicht die Visakartennummer eintippen?“ – „Nein.“ – „Ich hätte auch einen Euroscheck dabei!“ – „Brauch' ich nicht, es reicht, wenn wir sie einlesen.“ – „Ja schon, aber der Magnetstreifen ist kaputt.“ – „Was? Wie wollen Sie denn dann bezahlen?“ – „Mit Euroscheck!“ Mittlerweile werde ich durch und durch taxiert. Mir wird heiß. „Man weiß bei diesem Wetter nicht, wie man sich anziehen soll“, sage ich zu meiner Entschuldigung. Ich hätte es nicht sagen sollen. „Haben Sie denn Ihren Ausweis dabei?“ – „Hören Sie“, daß ich schreie, merke ich nicht, „ich will ein paar Strümpfe kaufen, ich gebe Ihnen eine gültige Visakarte, Sie wollen die Nummer nicht per Hand eintippen, meinen Euroscheck lehnen sie ebenfalls ab, und jetzt wollen Sie auch noch meinen Ausweis? Ich habe keinen dabei!“ Neben mir ist jemand, das merke ich, von hinten gekommen. Er sagt: „Kommen Sie bitte mit!“ – „Mitnichten“, fauche ich. Ich hätte es nicht sagen sollen, weil Serien so nie aufhören. Waltraut Schwab