Männerquotierung mit gleichen Mitteln bekämpfen

■ Schwedens Ombudsfrau will trotz Urteil „positives“ Gleichstellungsgesetz retten

„Gleichberechtigung, Gleichstellung – klingt das nicht furchtbar trocken und verbraucht?“ Lena Svenaeus, schwedische Ombudsfrau für die Gleichstellung, würde gerne die offizielle Bezeichnung ihres Amtes ändern: nicht nur aus dem Ombudsman, der sie laut Briefkopf ist, endlich eine Ombudsfrau machen, sondern auch die Gleichstellung streichen: „Das Wort führt doch zu der ganz falschen Vorstellung, wenn die Frauen nur auf das Niveau der Männer hochgepowert würden, wenn sie nur gleichen Lohn und gleiche Arbeitsverträge hätten, sei alles gut.“ Nein, das Ziel der schwedischen Gleichstellungspolitik, so wie Lena Svenaeus sie versteht, ist es nicht, Frauen dem Arbeitsmarkt anzupassen, sondern „den Arbeitsmarkt so zu ändern, daß Frauen wie Männer hineinpassen. Zu gleichen Bedingungen.“

Das Urteil des EU-Gerichtshofs? Ja, diese Herren Juristen seien wohl auf dem Stand der achtziger Jahre stehengeblieben, als man auch in Schweden dachte, mit der Forderung auf „Geschlechterneutralität“ zu einer Gleichstellung der Frau im Arbeitsleben zu kommen.

Doch geschlechtsneutral, geschlechtsblind könne Diskriminierung nie beseitigt werden. Weshalb die letzte Neufassung des schwedischen Gleichstellungsgesetzes schon im ersten Paragraphen direkt auf „die Verbesserung der Möglichkeiten der Frauen im Arbeitsleben“ hinwirken wolle. Was man in Schweden, und ganz ähnlich auch in Norwegen, sehr weit auslegte: bis hin zu einer „Sonderbehandlung“ von Frauen in Einzelfällen, mit der sich Männer durchaus diskriminiert fühlen können. Bevor man damit aber so richtig in Schwung gekommen sei, nun dieses Urteil.

Pragmatische Lösungen gegen Diskriminierung

Nein, es ist für Lena Svenaeus keinesfalls das abrupte Ende des Versuchs, über „positive Sonderbehandlung“ zu größerer Gleichstellung zu kommen. Nicht nur, weil es wie jedes Urteil auslegungsfähig sei, sondern zumindest den neuen nordischen EU-Mitgliedsländern tatsächlich ein ganz besonderes Schlupfloch offen läßt: Wenn sich Mitgliedsländer vor ihrem EU- Beitritt durch internationale Konventionen zu „positiver Sonderbehandlung“ verpflichtet haben, dürfen sie dies laut Gerichtsspruch auch weiterhin tun. Und Schweden hat die UN-Konvention über Gleichberechtigung, die genau dies zuläßt, rechtzeitig vor seinem EU-Beitritt ratifiziert.

Während Norwegens Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland mutig erklärt hat, Oslo werde sich überhaupt nicht um das Urteil kümmern – womit Norwegen bald vor dem Euro-Kadi stehen könnte –, muß man in Stockholm zumindest gesetzestechnisch einiges feilen. Nachdem weder Gleichstellungsgesetze noch Sonntagsreden viel bewirkten, war man zu einer Art zulässigen „Geschlechterdiskriminierung“ übergegangen. Bei der Besetzung von Stellen dürfen Personen des unterrepräsentierten Geschlechts selbst dann bevorzugt werden, wenn sie gegenüber Bewerbern des überrepräsentierten Geschlechts geringere formale Kompetenz haben.

Die Diskriminierung von Frauen ist in einigen Bereichen so fest verankert, daß man nur mit pragmatischen Lösungen weiterkommt, auch wenn formaljuristisch dadurch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen wird. Beim Kampf für gleiche Rechte ein für Lena Svenaeus nicht nur zulässiger, sondern sogar unverzichtbarer Verstoß gegen das formale Diskriminierungsverbot. Wenn nach all den Jahrzehnten von Gleichberechtigungsarbeit das Verhältnis von Mann und Frau in einem Sektor nach wie vor 93 zu 7 ist, gehe es nicht mehr um Gleichberechtigung, sondern um das Ende der Diskriminierung und damit auch um die Zulässigkeit von Sonderbehandlung. Das bisherige System habe dann eben zu einer Männerquotierung geführt und müsse schon deshalb mit gleichen Mitteln geändert werden. Reinhard Wolff, Stockholm