Wer klaut, dem glaube nicht

■ Zwei Polizisten freigesprochen, die beschuldigt wurden, einem Ukrainer ein hübsches Sümmchen Geld nach der Personenüberprüfung nicht wiedergegeben zu haben

Zwei deutsche Polizisten gegen einen Ukrainer, Aussage gegen Aussage: Haben die Polizisten dem Ukrainer das Geld wiedergebenen, das sie bei der Personenüberprüfung vorübergehend konfisziert hatten? Nein, sagte Igor P. vor Gericht. Seine Aussage sei glaubwürdig, findet der Staatsanwalt. Die Polizeibeamten widersprechen, Aussage gegen Aussage. (vgl. vom zweiten Prozeßtag taz 16.11.95)

Dritter Prozeßtag. Gegen mittag schien sich der Verdacht zu verdichten, zwei unserer Jungs von der Revierwache 6 hätten einen Ost-Europäer um sein gesamtes Bargeld gebracht: Die Autohändlerin Ingrid Bormann hat bestätigt, daß der vermeintlich Bestohlene am Nachmittag in detaillierten Verkaufsverhandlungen mit ihr und ihrem Mann gestanden hatte. Zwei Kleinbusse im Werte von über 30.000,-DM wollten Igor Palarmatschuk und sein Reisegefährte Nikolai Kozma anschaffen. Eine Stunde wurde gefeilscht, noch tausend Mark trennten Käufer und Verkäufer von einer Einigung. Da es aber spät geworden war, und auch noch Zollkennzeichen für die Ausfuhr in die Ukraine hätten besorgt werden müssen, rieten die Händler den beiden Ausländern, am nächsten Werktag wiederzukommen. Bis dahin sollten die Fahrzeuge für sie reserviert bleiben.

Die Geschichte vom versuchten Autokauf in Bremen war also nicht erfunden. Sie war auch nicht vorgetäuscht, um andere Ziele zu verschleiern. Selbst die Tatsache, daß die beiden Ukrainer nicht kauften oder bezahlten, obgleich sie offensichtlich die Wahl getroffen hatten, wurde von Frau Bormann gedeutet: „Auch wenn sie bezahlt hätten, hätten sie die Fahrzeuge nicht mitnehmen können.“

Was dann passierte, war der Inhalt des Strafverfahrens: Igor P. wurde unter dem Verdacht des Ladendiebstahls (ein Pulli) bei Karstadt festgehalten und der Polizei übergeben. Sein Gefährte Nikolai K. blieb währenddessen auf der Straße. P. behauptet, bei der Durchsuchung wurde ihm das gesamte für den Autokauf gedachte Geld abgenommen - und nicht zurückgegeben. Nikolai bestätigt: er habe seinen Freund kurz danach (am Hauptbahnhof) ohne Geld wiedergetroffen.

Der polnisch sprechende Bahnpolizist Masemann , an den sich die zwei Verlorenen sogleich wandten, erzählte, daß er auf Bitten der Ukrainer einen ihrer deutsch sprechenden Bekannten in Frankfurt anrief und von diesem bestätigt bekam, daß die Zwei zum Autokauf in Bremen seien. Masemann wurde es „schwummelig“.

Die Kriminalkommissarin Bippus, die sowohl die Polizisten als auch die Fremden vernahm, berichtete vor allem, „wie verzweifelt und am Weinen“ die Ukrainer waren – wie sollten sie ihrem Chef in Tschernowitzy erklären, daß das Geld weg sei!

Vor gericht spielte es auch eine Rolle, daß einer der zwei Polizisten – der Obermeister Sch. – gemeinsam mit zwei seiner Kollegen an einer Immobilienfirma beteiligt ist, die „einige“ Objekte besitzt. Merkwürdigerweise fragt niemand, wie die Zahl „einige“ zu verstehen sei. In den Pausen reicht man sich dann unter Prozeßbeobachtern die Werte herum: Fünf Eigentumswohnungen und zwei Mehrfamilienhäuser sollen es sein.

Es sieht nicht gut aus für die schönen Burschen von der Revierwache 6. Nur der Staatsanwalt stellt merkwürdige Fragen, z. B. möchte er von der Kommissarin Bippus wissen: Hätten die angeklagten Polizisten sie – die Kommissarin – vielleicht gefragt, ob sie „das Geld wieder rausrücken“ sollten? Nein, sagt die Kommissarin.

Und dann hält der Staatsanwalt sein langes Plädoyer. Er wägt ab: Der vermeintlich Bestohlene Igor Valentinowitsch Palamartschuk habe einen guten Eindruck auf ihn gemacht; er hält ihn für „insgesamt nicht unglaubwürdig“. Nur passe zu einem seriösen Autokäufer nicht, daß er als Ladendieb erwischt werde („wo er doch so viel Geld in der Tasche hatte“). Und ihn störe auch, daß der vielleicht betrogene P. - der im Strafprozeß als Zeuge auftrat – später in Deutschland „in die Kleinkriminalität“ abdriftete“.

Die zwei Angeklagten Polizisten hält Staatsanwalt Hampf für äußerst verdächtig: Die Überprüfung eines möglichen Ladendiebs sei eigentlich „ein Routinefall“. Wieso hätten sie zunächst keinen und dann einen unvollständigen Bericht geschrieben? Wieso hatten sie in ihrem ursprünglichen Bericht nicht erwähnt, daß sie Geld in der Tasche gefunden haben, „wo normalerweise jeder Schnürsenkel“ notiert werde?

Staatsanwalt Hampf hält es „für psychologisch ausgeschlossen, daß P. seine Geschichte erfunden“ habe. Dennoch gelte: Im Zweifel für den Angeklagten - er beantragt Freispruch.

Nach diesem Plädoyer konnten sich die Anwälte der Polizisten kurzfassen. Lauter Widersprüche sehen sie bei Igor und Nikolai, und „so dumm kann kein Polizist sein“, für 30.000,- Mark seine Beamtenstellung zu riskieren. Kein Freispruch aus Mangel an Beweisen, sondern einer, weil „die Zeugen-Aussagen nicht stimmen“.

Der Anwalt der beiden Ukrainer durfte nicht eingreifen in den Prozeß, bei Geld-Delikten gibt es keine Möglichkeit der „Nebenklage“.

Richter Mertens blieb so kaum eine andere Wahl. Der Prozeß beziehe sich vor allem auf die Aussage des Igor P., sagte der Richter. Und dieser Zeuge habe sich leider durch den versuchten Landendiebstahl in Mißkredit gebracht. sim