„Unschlagbar“ oder „legaler Betrug“?

■ Pro und Kontra bei Kapital-Lebensversicherungen

„Die Lebensversicherung eignet sich wie keine andere Anlageform dazu, den Lebensstandard zu erhalten“, versichert der Assekuranzverband. Verbraucherschützer reden statt dessen von legalem Betrug: „Diese Versicherung braucht fast keiner!“

Beide Seiten meinen genaugenommen die Kapital-Lebensversicherung. Diese verbindet finanzielle Vorsorge für mögliche Hinterbliebene mit dem Sparen für die eigene Zukunft. Nun läßt sich allerdings das sogenannte Todesfallrisiko am preisgünstigsten über eine Risiko-Lebensversicherung absichern – einige 10.000 Mark sind im Trauerfall für Familie oder Freunde gesichert. Die Kapital- Lebensversicherung verbindet die Versicherungsleistung mit dem Ziel, aus Erspartem und Rendite „Kapital“ wachsen zu lassen. Wolfgang Otte von der Volksfürsorge AG hält „diese Kombination für unschlagbar“.

Eine typische Werbung der HUK-Coburg sieht dann so aus: „Ein Mann, 39 Jahre alt, investiert im Monat 100 Mark. Mit dem 65. Lebensjahr erhält er 82.377 Mark ausbezahlt.“ Leicht verdientes Geld, freut man sich. Tatsächlich sieht die Wirklichkeit finster aus. So weist lediglich das ungelesene Kleingedruckte darauf hin, daß wir es mit einer Schätzung zu tun haben: „Die Leistungen können nicht garantiert werden.“ Eine Untersuchung der Stiftung Warentest ergab für die meisten Kapital-Lebensversicherungen, die im Jahre 1993 ausliefen, lediglich jährliche Renditen von unter 6 Prozent. Zum Vergleich: Bundeswertpapiere hätten für den selben Zeitraum etwa 7 Prozent garantiert. Viele Assekuranzen speisten ihre Kunden mit einer 5 oder gar 4 vor dem Komma ab. Dagegen wurden auch echte Hits gefunden: die Wüstenrot Leben schüttete über 8 Prozent aus. Aber Vorsicht: Die Ergebnisse aus der Vergangenheit können nicht in die Zukunft fortgeschrieben werden.

Eine Alternative bieten die Direktversicherer. Diese verkaufen über Anzeigen, Telefon, Fax und Briefe ihre Produkte – und sparen so an der Verwaltung sowie den Provisionen für Vertreter. Diese kassieren für eine Versicherungssumme von 100.000 Mark oft mehr als 3.000 Mark. Dank solcher Ersparnisse finden wir die Direkt- Produkte häufig an der Spitze der einschlägigen Rendite-Hitlisten. Dies gibt auch Pressesprecher Otte zu, „aber der Verbraucher muß sich auch fragen, ob er Service und Beratung will“ – und diese kosten eben.

Der Verband der Lebensversicherungs-Unternehmen in Bonn betont obendrein die steuerlichen Vorteile seiner Produkte. Aber Obacht! Die Freibeträge für die Prämien sind meistens bereits ausgeschöpft. Immerhin bleibt der Ertrag aus einer Lebensversicherung (heute noch) steuerfrei, sofern die Laufzeit des Vertrages mindestens zwölf Jahre beträgt.

Aufgrund der extrem langen Laufzeit, meist 25 bis 30 Jahre, schlummert in jedem Versicherungsvertrag ein Inflations- und ein Restrisiko: Eine Kündigung führt zu deutlichen finanziellen Einbußen. Der sogenannte „Rückkaufswert“ einer Police liegt deutlich unter dem bis dahin erreichten Wert. Ein weiterer Grund, „vorher sorgfältig zu schauen, wo man abschließt“, meint auch Fachmann Otte. Das tun nicht alle: Jeder zehnte neue Vertrag wird umgehend gekündigt, kaum daß das reizende Verkaufs-As die Wohnung wieder verlassen hat. H. Pfeiffer