Justiz narrt „Dagobert“

■ Bundesgerichtshof hob Urteil auf: Zweifel an verminderter Schuldfähigkeit

Der Kaufhauserpresser Arno Funke muß weiterhin mit der Ungewißheit leben, wie lange er hinter Gittern bleiben muß. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob gestern das Urteil des Landgerichts vom März auf und verwies das Verfahren zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Der BGH bemängelte, daß die Strafe von sieben Jahren und neun Monaten zu gering sei, und daß das Landgericht nicht hinreichend dargelegt habe, inwieweit die langjährige Beeinträchtigung Funkes durch Lösungsmitteldämpfe zu einer verminderten Schuldfähigkeit geführt habe.

Die Revision war von der Bundesanwaltschaft beantragt worden, während die Verteidigung den BGH aufgefordert hatte, das Urteil des Landgerichts zu bestätigen. Überraschenderweise hatte die Verteidigung ihre Revision gegen das Urteil am Dienstag zurückgezogen. „Es ergibt nicht viel Sinn, Funke durch ein neues Verfahren durchzujagen“, hatte Anwalt Wolfgang Ziegler gesagt.

In der Revisionsverhandlung ging es in erster Linie darum, wie viele Taten dem Kaufhauserpresser anzulasten sind. Das Landgericht kam auf vier, die Staatsanwaltschaft bestand auf 16, die Verteidigung ging von zwei Taten aus: der erfolgreichen Erpressung des KaDeWe um eine halbe Million Mark und der versuchten Erpressung von Karstadt um 1,4 Millionen Mark. Der BGH kommt auf zehn Taten.

Funkes Anwalt ist „sehr verärgert“, daß der BGH an der verminderten Schuldfähigkeit seines Mandanten zweifelt. „Dem BGH müßte es verwehrt sein, daran zu kritteln“, sagte Ziegler gestern. Sogar die Staatsanwaltschaft mit ihrem Ruf nach Generalprävention hatte die verminderte Schuldfähigkeit des ehemaligen Lackierers anerkannt. Doch der Bundesgerichtshof zweifelt wegen dem „Höchstmaß an krimineller Energie“ und dem jahrelangen Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei an der erheblichen organischen Gehirnschädigung Funkes. Der 45jährige sitzt seit über anderthalb Jahren in Einzelhaft und leidet nach wie vor an schweren Depressionen. Barbara Bollwahn