Abschaffen was krank macht

■ Ein Bremer Modellversuch zur beruflichen Rehabilitation baut auf das Know-How von MitarbeiterInnen, die Behinderung erleiden / Betriebe zur Beteiligung aufgerufen

Oft ist ein Arbeitsunfall wie ein kleiner Tod. Trotz langer Therapie heilen die Knochen nicht richtig, die gewohnten acht Stunden Arbeit am angestammten Platz werden damit undenkbar. Regelmäßig folgt auf diese private Krise der Kampf um die berufliche Zukunft – den viele verlieren. Sie landen dann in Frührente oder Arbeitslosigkeit. Doch neuerdings gibt es dagegen ein Mittel: die betriebliche Rehabilitation.

Träger eines bremischen Modellversuchs ist die „Gesellschaft für Gesundheit und berufliche Rehabilitation“. Die Stahlwerke Bremen, ihre Betriebskrankenkasse und das Land gründeten sie im März – doch grundsätzlich steht sie auch anderen Betrieben offen. Das betonte gestern Arbeitssenator Uwe Beckmeyer bei der Einweihung der Einrichtung auf dem Gelände der Stahlwerke.

Vor allem in einem unterscheidet sich die neue Gesellschaft von anderen betrieblichen Reha-Einrichtungen: Sie greift auch in Arbeitsprozesse ein und schafft so neue Arbeitsplätze für Behinderte. Arbeitgeber, die sich an dem Versuch beteiligen, müssen bereit sein, bestehende Arbeitsplätze umzugestalten.

Bei den Stahlwerken Bremen denkt man deshalb schon darüber nach, Bereiche wie Werkschutz oder Lagerhaltung, die aus Rationalisierungsgründen einst ausgegliedert wurden, wieder betriebsintern zu erledigen. „Die Reparatur von Klimaanlagen in Kränen haben wir bereits zurückgeholt“, sagt Hildegard Kaluza, die Geschäftsführerin der Gesellschaft. Ihr Motto: Die Integration Behinderter soll rentabel sein. „Das Know-How erfahrener Mitarbeiter kann genutzt werden“, glaubt auch die Firmenleitung. Entsprechend verläuft die einjährige Reha-Maßnahme.

Einer zweimonatigen Orientierungsphase, in der die frisch Behinderten sich nach dem ersten Schock umorientieren, folgt die Gewöhnung an einen neuen Arbeitsplatz. Zehn Monate lang, mit psychologischer, arbeitsmedizinischer und sozialpädagogischer Unterstützung, wird auf Trainingsarbeitsplätzen erprobt, was die Einzelnen leisten können. Doch einen Tag pro Woche tüfteln die Rehabilitanden weiterhin in der eigens eingerichteten Reha-Werkstatt: Was langfristig krank macht, wird dort eben abgeschafft.

Der behinderte Monteur, der früher zehnal hin- und herlief, bis die schweren Werkzeuge für die Kesselreparatur an Ort und Stelle waren, hat beispielsweise einen Transportwagen konstruiert – eine Belastung weniger für den Nachfolger. Jemand anderes erfand ein neues Gasöfchen, das in den großen, zugigen Werkssallen mehr bringt als die alten.

13 TeilnehmerInnen haben die erste Rehabilitations-Maßnahme gerade abgeschlossen. Für insgesamt 66 TeilnehmerInnen hat die Einrichtung im nächsten Jahr Kapazitäten frei. Die Stahlwerke garantieren ihren TeilnehmerInnen per Betriebsvereinbarung die Weiterbeschäftigung und die Lohnfortzahlung: Auf das Unterhaltsgeld von der Landesversicherungsanstalt legt die Firmenleitung den Rest bis zum Normallohn. Erst später, am neuen Arbeitsplatz wird die Bezahlung neu geregelt.

Hildegarg Kaluza hält das für eine gute Regelung: „Weil niemand Einkommenseinbußen hinnehmen will, sind wir in der Pflicht, für anspruchsvolle Arbeitsplätze zu sorgen.“ Das werde dazu beitragen, die Benachteiligung von Behinderten abzubauen. Eva Rhode