Pariser Bahnen rollen peu a peu

■ Zwischen 600.000 und zwei Millionen Franzosen demonstrieren gegen Sparpläne. Die kommunistische Gewerkschaft erklärt Dienstag zum landesweiten Aktionstag

Die Protestwelle gegen den Sozialabbau in Frankreich hat trotz der nahenden Weihnachtstage kaum an Stärke eingebüßt. Mit einem neuen landesweiten Aktionstag am Dienstag will vor allem die kommunistisch orientierte Gewerkschaft CGT den Druck auf die Regierung aufrechterhalten. Bei Großkundgebungen im ganzen Land hatten am Samstag erneut Hunderttausende die Rücknahme der Regierungspläne zur Reform der französischen Sozialversicherung gefordert.

Die Angaben über die Zahl der landesweit demonstrierenden Franzosen schwankten zwischen 600.000 und zwei Millionen. In Paris veranstalteten gestern erstmals auch Ärzte und Mediziner einen Protestmarsch gegen die geplanten Einsparungen im Gesundheitsbereich. Unterdessen lief der öffentliche Nah- und Fernverkehr nach über dreiwöchigem Ausstand am Wochenende landesweit nur sehr langsam wieder an.

Der Arbeitgeberverband CNPF entscheidet erst heute, ob er an den von Regierungschef Alain Juppé für Donnerstag angesetzten Spitzengesprächen zur Lösung des Sozialkonflikts überhaupt teilnehmen wird. Juppé lehnte trotz der neuen Massenproteste die von den Gewerkschaften verlangte Vorverlegung ab. „Ich werde ganz sicher nicht über Gehälter sprechen“, sagte CNPF-Präsident Jean Gandois gestern im französischen Fernsehen. „Das Hauptproblem ist nicht, Geld zum Konsumieren zu geben, sondern die Ängste zu besänftigen.“

Die Staatsbahn SNCF rechnete für heute damit, daß im Fern- und Regionalverkehr etwa 50 Prozent der Züge wieder rollen. Davon ausgenommen bleiben zunächst noch Verbindungen in den Süden des Landes, nach Marseille, Toulouse oder Montpellier, wo sich die Eisenbahner gestern zunächst noch für eine Weiterführung des Streiks ausgesprochen hatten. Mit einer Rückkehr zum normalen Betrieb wurde landesweit nicht vor Mitte der Woche gerechnet.

Mit einer Ausweitung ihrer Forderungen auf Gehaltsverhandlungen und Arbeitszeitverkürzung will der Gewerkschaftsbund CGT vor allem auch die Beschäftigten der Privatwirtschaft mobilisieren, die sich bisher eher abseits gehalten hatten. Nachdem die Regierung bei den Beamtenpensionen einen Rückzieher gemacht hat, fordert die CGT nun auch für den privaten Sektor eine Rückkehr zu 37,5 Rentenbeitragsjahren.

„Es ist wichtig, den sozialen Druck auf sehr hohem Niveau zu halten, da die Regierung weiter nicht über die wichtigen Fragen verhandeln will“, erklärte CGT- Chef Louis Viannet. Nicht weniger kämpferisch zeigte sich der Chef der mit der CGT rivalisierenden Gewerschaft FO, Marc Blondel. Er meinte, die Franzosen hätten „den Haß“. Er habe nicht die Absicht, „die Temperatur sinken zu lassen“. Die harte Haltung der Regierung gegenüber den Gewerkschaften hat die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Staatspräsident Jacques Chirac offenbar etwas abgemildert. Nach einer in der Sonntagszeitung Le Journal du Dimanche veröffentlichten Umfrage stieg der Anteil der mit Chirac „Zufriedenen“ um drei Punkte auf 30 Prozent. Juppé konnte zwei Punkte gutmachen und kam auf 28 Prozent. Die Unzufriedenheit ist mit 63 Prozent für den Präsidenten und 67 Prozent für den Premierminister aber weiterhin sehr hoch. dpa