Der „Wixer“ kommt teuer

■ Weil Ali A. die Polizei beleidigte, urteilte das Gericht: 1.800 Mark Strafe

Der 14. Juli 1994 war für Ali A. ein ganz besonders hitziger Tag. Das belegt seine Gerichtsakte, die gestern im Amtsgericht gezogen wurde – auf Wunsch des jungen Mannes selbst. Er hatte zwei Strafanzeigen wegen Beleidigung zweier Polizisten von eben jenem Julitag nämlich nicht auf sich sitzen lassen wollen – und Widerspruch gegen die Strafe von rund 1.800 Mark erhoben: Nie habe er gesagt, er wolle dem Polizisten E. die Eier abreißen und kochen, beteuerte er vor Gericht. Nur daß er auf die Polizei sauer war, gab Ali A. zu.

Die Beamten hatten ihn an jenem Tag im Juli nämlich gleich zweimal beim Falschparken erwischt. Einmal vor dem gut besuchten Waller Schwimmbad – ausgerechnet in der Ausfahrt für den Rettungswagen. Ein zweites Mal auf einem Radweg in der Kornstraße. Vor allem beim ersten Zusammentreffen mit der Polizei sei er wirklich ärgerlich gewesen, bestätigte der beschuldigte Ali A. die entsprechenden Zeugenaussagen der betroffenen Beamten. Aber dazu habe er auch Grund gehabt, verteidigte er sich: Die Polizisten hätten den Abschleppdienst nach Walle bestellt, obwohl er schon die Ausfahrt räumen wollte. Außerdem hätten sie ihm seine Wagenpapiere weggenommen und nicht wiedergegeben. „Erst später hat der Polizist sie aus dem Autofenster auf den Boden geworfen.“ Bei aller Beleidigung – das bestätigt auch der polizeiliche Zeuge E.: Erst, nachdem Ali A. dem Streifenwagen gefolgt war, bekam er seine Papiere zurück. „Vielleicht hat er sie da nicht gefangen und sie sind auf den Boden gefallen. Ich muß ehrlich sagen, ich war auch nicht mehr ganz ruhig“, sagte er. Die Schreierei, die Ali A. wegen des Strafzettels in aller Öffentlichkeit veranstaltet habe, sei einfach peinlich gewesen. „Die Umstehenden haben schon gefragt, warum wir uns das gefallen lassen.“

Für Ali A. sind die Bleidigungsklagen ein großes Mißverständnis: von „Eier abreißen und kochen“ habe er nicht gesprochen. „Das Wort kannte ich doch noch gar nicht. Ich war ja erst ein paar Jahre in Deutschland“, demonstrierte der gebürtige Libanese Unschuld. Auch, daß er ein paar Stunden später einen weiteren Polizisten als „Wixer“ tituliert habe, bestritt Ali A. „Damit habe ich doch meinen Freund gemeint, nicht den Polizisten. Das schwöre ich“, sagte er heftig. „Ehrlich, warum sollte ich Dich denn beleidigen, Deinen Kollegen aber nicht. Wo Ihr doch sowieso zu zweitwart“, überhörte er den väterlichen Rat des Richters, „wenn ich Sie wäre, würde ich den Zeugen nicht duzen.“

Auch der angeblich beschimpfte Freund, als Zeuge anwesend, konnte sich an den „Wixer“ nicht erinnern. „Warum würde man das sagen?“, grinste der 21jährige Türke ein bißchen verlegen die Staatsanwältin an. „Ein komisches Wort.“ Im übrigen sei die Sache ja schon fast zwei Jahre her. Nur eines wußte er noch sicher: daß ihm Ali A. an diesem Tag „sowieso ein bißchen komisch“ vorgekommen war.

Nicht so den Polizeibeamten. Sie nahmen die Vorfälle ernst. Die beiden Männer, die unabhängig voneinander mit jeweils einem anderen Kollegen auf Streife waren, sagten auf Nachfrage von Staatsanwältin und Richter in kühlem Ton: Anzeige hätten sie erstattet, weil die Beleidigungen von Ali K. ungewöhnlich drastisch ausgefallen wären. „Für mich ist es die erste Anzeige wegen Beleidigung, die ich in 12 Dienstjahren überhaupt erstattet habe“, betonte der Jüngere.

Für Ali A. war es nicht die erste Anzeige im Leben. Also deutete er den Hinweis des Richters klug: Wenn er auf seinem Widerspruch gegen die 1.800 Mark Bußgeld bestehe, könnte ein neues Urteil teurer ausfallen – „oder vielleicht billiger“, warnte der Richter. „Ich zahle“, nickte der Beleider ergeben. Und grüßte im Weggehen freundlich die anwesenden Polizisten. ede