■ Mit dem Kaffeekartell auf du und du
: Mauer schützte Preise

Rio de Janeiro (taz) – Die Börse in New York verkündete das Ergebnis der Kaffeeverhandlungen im voraus, zu denen sich morgen die produzierenden Länder (APPC) in Brasilien treffen. Letzten Freitag überschritten in der Wallstreet die Kurse für die Arabica-Bohne wieder die Ein-Dollar-Grenze, das Pfund wurde für 102,55 Cent gehandelt.

Für den steigenden Kaffeepreis sind vor allem zwei Gründe ausschlaggebend. Brasilien, zweitgrößter Kaffeeproduzent, verringerte seine Exporte 1995 gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent. Und Nachbarland Kolumbien, weltweit größter Kaffeeanbauer, will anscheinend beim APPC-Treffen eine verschärfte Restriktion der Exportvolumen aushandeln: „Gerade in dem Augenblick, wo unsere Absprachen erste positive Auswirkungen zeigen, müssen wir unseren gemeinsamen Kurs fortsetzen“, erklärte Hernan Arango, Vorsitzender der kolumbianischen Vereinigung von Kaffeeproduzenten. Zumal die preisregulierenden Vorräte in den Verbraucherländern sich allmählich ihrem Ende näherten.

Nach Angaben der Vereinigung brasilianischer Kaffee-Exporteure stieg der Preis pro 60-Kilo-Kaffeesack von 150,54 US-Dollar im Jahr 1994 auf 163,65 US-Dollar im vergangenen Jahr. Das Exportvolumen ging im Vergleichszeitraum von 14,6 Millionen Säcken auf 11,9 Millionen zurück. In Wirklichkeit ist der Rückgang allerdings nicht allein durch die Preisabsprachen der APPC-Länder zu erklären. In Brasilien wurden große Teile der Kaffee-Ernte im vergangenen Jahr durch eine extreme Frostwelle und anhaltende Dürreperioden im Jahr 1994 vernichtet (die taz berichtete).

Ein Kaffeebroker aus der brasilianischen Hafenstadt Santos räumte die beschränkten Möglichkeiten einer Preisabsprache ein: Seit dem Fall der Mauer sei der Kaffeepreis nicht mehr politisch. Die Angst vor der Ausbreitung des Kommunismus insbesondere in Mittelamerika habe in den USA höhere Kaffeepreise zugelassen und spiele heute keine Rolle mehr. In Brasilien sind die Zeiten, in denen eine Kaffeekrise automatisch eine Staatskrise nach sich zog, ohnehin vorbei. Der Anteil des grünen Goldes am gesamten Exportvolumen Brasiliens in Höhe von 45 Milliarden US-Dollar beträgt nur noch 2,7 Prozent.

Die steigenden Kaffeepreise verlocken andere Länder, verstärkt ins Geschäft einzusteigen. Vietnam liegt bei der Kaffeeproduktion mittlerweile an weltweit fünfter Position. Brasiliens Nachbarland Venezuela will nach Angaben des nationalen Landwirtschaftsministeriums in diesem Jahr zehn Millionen US-Dollar in den Ausbau der Kaffeeproduktion investieren. Astrid Prange