Bezirksreform ohne Mehrheit

Vor der Neugliederung der Bezirke wird über mögliche Grenzen spekuliert. Eine Zweidrittelmehrheit des Abgeordentenhauses für die Verfassungsänderung ist aber nicht absehbar  ■ Von Barbara Junge

Große Aufgaben, so heißt es, erfordern Große Koalitionen. Für manche Aufgaben aber ist auch eine Große Koalition nicht groß genug: Die im Koalitionspapier von CDU und SPD festgelegte Reduzierung der Bezirke von 23 auf 18 kann nur durch eine Verfassungsänderung durchgeführt werden. Denn in der Verfassung sind die existierenden 23 Bezirke festgeschrieben. Ihre Zweidrittelmehrheit haben SPD und CDU im Oktober letzten Jahres jedoch verloren. Und selbst mit dieser satten Mehrheit hat die erste Auflage der Großen Koalition die geplante Bezirksneuordnung nicht geschafft.

Woher also zum Beispiel die Zustimmung im Parlament kommen soll, daß Kreuzberg zur Mitte Berlins wird oder Hohenschönhausen sich auf der Ostflanke mit Weißensee verbündet, ist noch völlig offen. Die drittgrößte Fraktion im neuen Abgeordnetenhaus, die PDS, hat ihre Haltung zur Bezirksgebietsreform schon im Wahlprogramm vorgegeben: „Die PDS lehnt alle Pläne für die Liquidierung von Bezirken unter dem Vorwand einer Gebietsreform entschieden ab.“ Auch Bündnis 90/Die Grünen unterstützen eine Verfassungsänderung nicht ohne Zugeständnisse. „Wir stimmen der Verfassungsänderung nur zu, wenn ein Volksentscheid durchgeführt wird und dezentrale Institutionen erhalten bleiben“, meint Renate Künast, justizpolitische Sprecherin der Fraktion.

Über was genau die Abgeordneten einmal abstimmen sollen, ist noch gar nicht geklärt. Im vorgelegten Koalitionspapier ist nur die Zahl der Bezirke festgehalten: „Mit dem Ziel der Stärkung seiner Leistungskraft führt Berlin eine Bezirksgebietsreform durch, die die Zahl der Bezirke auf 18 reduziert und gewachsene Strukturen berücksichtigt“, so steht es in der Vereinbarung. Der Landesrechnungshof hat eine Einsparung von 13 Millionen Mark pro gestrichenem Bezirk errechnet. Aber Bezirke werden nirgendwo genannt.

Die Grundlage also, auf der sich die Bezirksämter Sorgen um ihre Zukunft machen, ist noch immer eine Vorlage vom bisherigen Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), die aus dem Jahr 1993 stammt. Nach dieser soll der künftige Innenstadtbezirk Stadtmitte aus Tiergarten, Kreuzberg und Mitte zusammengeworfen werden, Wedding und Prenzlauer Berg vereinigen sich, Friedrichshain und Lichtenberg, Hohenschönhausen und Weißensee und schließlich noch Marzahn und Hellersdorf.

Der Heckelmann-Plan ist jedoch nicht der einzige, der durch die Ämter geistert. Auch die Kombination von Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg ist dem Friedrichshainer Bürgermeister Helios Mendiburu schon zu Ohren gekommen. Gegen diese Variante protestiert Mendiburu, der die Reform nicht von vornherein ablehnt, aber energisch. „Friedrichshain und Prenzlauer Berg zusammen, das gibt einen Elendsbezirk. Man muß auf die soziale Zusammensetzung der Bezirke achten“, begründet er seinen Protest. In der Sozialstatistik stehen auch andere Bezirke, die für eine Vereinigung gehandelt werden, auf den unteren Rängen. Nach dem Sozialstrukturatlas der Senatsverwaltung für Gesundheit belegen die letzten Plätze von hinten: Kreuzberg, Prenzlauer Berg, Tiergarten, Friedrichshain und Wedding. Deshalb plädiert der noch amtierende Bürgermeister von Kreuzberg, Peter Strieder, für einen Kriterienkatalog für die Zusammenlegung.

Eine ganz windige Strategie hinter den Zusammenlegungen wittern sowohl Politiker der PDS als auch von Bündnis 90/Die Grünen. Jörn Jensen, Bezirksbürgermeister von Tiergarten: „Da werden grüne Hochburgen geschwächt und mit Bezirken zusammengelegt, in denen wir wenig Einfluß haben.“ Aber auch die PDS könnte Opfer werden. „Kreuzberg und andere PDS-Hochburgen fallen unter die Reform, da drängt sich der Verdacht auf, daß parteipolitisches Kalkül im Spiel ist“, interpretiert Peter-Rudolf Zotl (PDS) die Linie der Zusammenlegungen.