Kinkel verspricht Georgien weiterhin großzügige deutsche Unterstützung

■ Die deutsch-georgischen Beziehungen haben Tradition. Vor der Deportation durch Stalin lebten hier 40.000 Deutsche

Berlin (taz) – Bundesaußenminister Klaus Kinkel will sich für einen schnellen Abschluß des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Georgien einsetzen. Das versicherte er gestern zum Abschluß seines Besuches dem georgischen Staatspräsidenten Eduard Schewardnadse in Tiflis. Deutschland werde darüber hinaus die Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konfliktes mit Abchasien und Südossetien unterstützen. Kinkel ließ aber keinen Zweifel an der territorialen Integrität Georgiens und wandte sich gegen die separatistischen Bestrebungen in Abchasien und Südossetien. Zur Linderung der Energiekrise und zum Aufbau eines diplomatischen Dienstes wird Deutschland Fachleute entsenden.

Kinkel, der vor Weihnachten Armenien und Aserbaidschan besucht hatte, betonte, daß Deutschland die transkaukasischen Länder als „geopolitische Brücke“ zwischen Asien und Europa ansehe, die große Bedeutung für die Stabilität Gesamteuropas und der angrenzenden islamischen Welt habe. Kinkel war der erste ausländische Gast, der vor dem georgischen Parlament sprechen durfte.

Georgien erhielt bisher 93 Millionen Mark an Unterstützung aus Deutschland. Über die Europäische Union ist die Bundesrepublik zudem mit 180 Millionen Mark an der technischen und humanitären Zusammenarbeit mit Georgien beteiligt. Deutschland stellt zehn von 136 Militärbeobachtern der Unomig. Ein deutscher Diplomat leitet die OSZE-Delegation, die bei der Konfliktlösung in Südossetien und Abchasien vermitteln soll.

Das deutsche Interesse an Georgien ist beträchtlich. Vor der Deportation durch Stalin lebten hier 40.000 Deutsche. Im Auftrag der russisch-zaristischen Regierung reisten einst deutsche Forscher, Lehrer, Militärs und Dichter nach Transkaukasien, gründeten das erste Naturhistorische Museum, die erste Zeitung, schufen die ersten Karten und brachten ihre Kenntnisse nach Deutschland mit. 1886 wurde bei Tiflis die deutsche Siedlung „Elisabethtal“ gegründet. Die Firma Siemens baute die erste Telegraphenleitung in Georgien. Als 1921 die Sowjetarmee die junge Georgische Republik annektierte, flohen die demokratisch gesinnten Georgier vor allem nach Deutschland, wo viele von ihnen bereits studiert hatten. Mindestens ein Viertel der georgischen Wissenschaftler und Künstler spricht heute fließend Deutsch. Selbst im fernsten Gebirgsdorf können Kinder Gedichte von Goethe, Heine und Rilke aufsagen.

Der langjährige Bürgerkrieg, der in Abchasien noch andauert, hat den Aufbau der Privatwirtschaft verzögert und die Versorgungslage in Georgien außerordentlich erschwert. Die Industrieproduktion ist seit der Unabhängigkeit auf knapp 20 Prozent gefallen. Trotz des kalten Winters gibt es weder Heizung noch Gas und nur selten Strom. Ekkehard Maaß