Akademischer Streit um einen Ehrendoktor

■ Studentenvertretung der HU wirft dem Professor, Ehrendoktor und Ost-Abwickler Wilhelm Krelle seinen Dienst als Kommandeur in der Waffen-SS vor

Aufregung an der Humboldt- Universität: Die Studentenvertretung hat dem Ehrendoktor und zeitweiligen Vorsitzenden der Strukturkommission am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Professor Wilhelm Krelle, vorgeworfen, während des Zweiten Weltkriegs in der Waffen-SS gedient zu haben und diese Vergangenheit bei seiner Ehrenpromotion verschwiegen zu haben.

Krelle selbst betont, er habe aus seiner Vergangenheit „nie ein Geheimnis gemacht, wenn ich danach gefragt wurde“. Die Universitätsleitung hält sich bedeckt: Ihr lägen keine Hinweise vor, daß die Vorwürfe der Studenten zuträfen, hieß es aus der Pressestelle. Man bleibe bei der Erklärung, die Krelle vor seiner Ehrenpromotion abgegeben habe: Demnach sei er zu keinem Zeitpunkt Mitglied von SA, SS oder NSDAP gewesen. Krelle ist seit langem ein Wirtschaftswissenschaftler mit internationalem Ruf, zudem Träger des Bundesverdienstkreuzes, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Bayern und Nordrhein-Westfalen und Mitglied der EKD-Synode.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte eine Mitteilung des ReferentInnenrats (RefRat) der HU. Demnach zeigten bislang unveröffentlichte Dokumente aus dem ehemaligen amerikanischen Berlin Document Center, daß Krelle, „ab Dezember 1943 als Sturmbannführer im Range eines Bataillonskommandeurs der 17. SS-Panzergrenadierdivision ,Götz von Berlichingen‘ (Einsatz in der Normandie, Paris etc.) eingesetzt war. Nach eigenen Angaben war er als Stabsoffizier der Wehrmacht auf diese Position abkommandiert und kein Mitglied der SS“, schrieb der RefRat. Nach einem Artikel in der Tageszeitung junge Welt („Ehrendoktor für einen SS-Mann“) wurde den StudentInnen allerdings die Sache zu heiß: In einer weiteren Presseerklärung bat der RefRat darum, „die Verwendung der genannten Fakten zu stoppen“. Die Informationen dürften nicht verwendet werden, bis die Vorwürfe untersucht und bewiesen seien.

Wilhelm Krelle, der von 1991 bis 1994 die Strukturkommission am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften geleitet hatte und für die Bewertung und Abwicklung ehemaliger Ost-DozentInnen zuständig war, nannte die Vorwürfe gegenüber der taz eine „gewisse Infamie und Verleumdung“. Er sei als Heeresoffizier nicht wie behauptet 1943, sondern erst Ende 1944 als Generalstabsoffizier an die Waffen-SS abkommandiert worden, als die Kämpfe in der Normandie und Paris längst vorbei waren. Seine Truppe sei im Raum Metz eingesetzt worden. In seinem akademischen Lebenslauf stehe das nicht, weil es da nicht hingehöre, so Krelle: „Da steht nur Abitur, eingezogen zum Heer und entlassen mit welchem Dienstgrad.“

Im übrigen habe er fünf Ehrenpromotionen von anderen Universitäten, „da werde ich mich für eine sechste doch nicht verrenken“. Der Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften habe aber von seiner Zeit bei der Waffen-SS gewußt, bevor Krelle 1994 die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Der Dekan Wulf Plinke und die Präsidentin der HU, Marlis Dürkop, waren gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.

Trotz ihres Rückziehers bleibt die Studentenvertretung dabei, daß die Ehrendoktorwürde für Krelle nicht haltbar sei. „Wir werden Krelle eine individuelle Schuld nicht nachweisen können“, meinte allerdings gestern Frank Seifert vom RefRat. Es gehe nicht an, daß ein Mann mit einem solchen Lebenslauf als „integerer Wissenschaftler und Vorbild für die Jugend“ gepriesen werde. Bernhard Pötter