■ Zur Tötung eines Häftlings
: Überforderte Beamte

Ein Häftling ist vorgestern erschossen worden. Auf der Flucht. Er hatte einen Untersuchungstermin in einem Krankenhaus genutzt. Die Staatsanwaltschaft macht jetzt das, was sie immer macht in solchen Fällen. Sie prüft, ob der Schußwaffengebrauch gerechtfertigt, ob er verhältnismäßig war. Deswegen ermittelt sie jetzt wegen „Verdachts der fahrlässigen Tötung“. Die Frage, ob und wann der Schußwaffengebrauch durch Beamte von Polizei und Justiz verhältnismäßig ist, wird in dem „Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwanges“ sowie im Strafvollzugsgesetz geregelt. Ein Schußwaffengebrauch gilt zum Beispiel als unzulässig, wenn Dritte gefährdet werden. Außerdem darf eine Person nur „angriffs- oder schußunfähig“ gemacht werden.Der Beamte allerdings schoß in einem belebten U-Bahnhof, eine unbeteiligte Frau wurde verletzt. Und der tödliche Schuß traf den Rücken des Flüchtenden. Der Erschossene war unbewaffnet, und er trug Handschellen.

Ein Schulbeispiel liegt da vor. Ein offenbar übereifriger und überforderter Beamter ist durchgedreht und hat unverhältnismäßig reagiert. Warum aber passiert so was einem 57jährigen? Einem, der schon Jahrzehnte im Beruf steht. Einem, der nicht im Actionzeitalter von Fernsehen und Video groß geworden ist. Einem, der sich mit der Situation schon zigmal auseinandergesetzt haben müßte: Was mache ich, wenn der Gefangene mir abhaut?

Es drängt sich der Verdacht auf, daß die Justizvollzugsbeamten auf diese Ernstfälle viel zu wenig vorbereitet werden. Damit ist nicht das Training an der Waffe gemeint. Der Kopf ist gefragt, die richtige Reaktion in Sekundenbruchteilen. Und beim kleinsten Zweifel muß es dann eben heißen: Kein Schuß! Christoph Oellers

siehe dazu Bericht Seite 26