■ Das Portrait
: Das Fräulein

Seit einem Vierteljahrhundert hat das „Fräulein“ in den deutschen Amtsstuben ausgedient. Viele Kommunen verbaten im März 1971 in Runderlassen die Anrede in schriftlicher wie mündlicher Form. Trotzdem ist sie keineswegs ausgestorben im gegenwärtigen gesellschaftlichen Leben. Man könnte sogar meinen, das Fräulein erfreue sich einer gewissen Renaissance. Auch der Fräulein-Begriff bleibt nämlich nicht von der Postmoderne verschont. Alles ist erlaubt, nichts mehr so, wie es war.

Wieder in: „Wertes Fräulein, darf ich's wagen...?“ Foto: Frischmuth/Diagonal

Neulich in einem Berliner Kaufhaus, Abteilung „das schöne Buch“. Eine Kundin will sich bei der Bedienung bemerkbar machen, die ihr den Rücken zugewandt hat. „Fräulein!“ Keine Reaktion. „Fräulein!“ ruft sie lauter. Wieder nichts. „Fräuäuäulein!“ Der Mann dreht sich um. „Meinen Sie mich?“ Die Kundin nickt. „Wie hätte ich Sie sonst anreden sollen?“

Ursprünglich bezeichnete Fräulein die unverheiratete Frau. Vom 12. bis in das 20. Jahrhundert war das so. „Wertes Fräulein, darf ich' s wagen...“ In der Nachkriegszeit sprachen US-Soldaten vom „deutschen Fräuleinwunder“. Die Bürokratie der 50er Jahre hob die Personenstandsbezeichnung auf. Frau war nicht mehr gleich Ehefrau. Die Fräulein-Anrede blieb aber die Regel. Erst in den 70ern drängten die Behörden sie in die zweite Reihe. Paragraph 30 der Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung schreibt bis heute vor: „Auch ledige weibliche Personen sind grundsätzlich mit Frau anzureden.“ Doch, oje, du zersetzende Postmoderne, in der zukünftigen Geschäftsordnung soll der Paragraph wegfallen und jeder „nach Takt und Gefühl“ entscheiden dürfen. Die Restauration und Umwertung des Fräulein-Begriffs hatte bereits in den 80ern eingesetzt: Umfragen einer renommierten Frauenzeitschrift brachten an den Tag: Die Hälfte aller ledigen Frauen will mit „Fräulein“ angesprochen werden. Eine 21jährige Beamtin des Finanzamtes Dillenburg in Hessen zog vor Gericht. „Es hat mich erhebliches Stehvermögen gekostet, Fräulein geblieben zu sein; ich bitte dies zu respektieren.“ Außerdem tauchte das deutsche Fräuleinwunder wieder auf in Gestalt der Tennisspielerin Stefanie Graf aus Brühl bei Heidelberg. In der Gastronomie ist „Fräulein“ bis heute üblich.

Nur das „Fräulein vom Amt“ ist wirklich verschwunden. Das Telefonieren wurde mit Gründung der Telekom privatisiert. Christoph Oellers