Die Dekonstruktion von Härtefeldern

■ Kontinuität im englischen Grindcore: Napalm Death führen Extremitäten aus

Halt Napalm Death. Schon ewig. Schnell und reell. Regt eigentlich niemand mehr wirklich auf, und doch gibt es dieses wohltuende Gefühl, wenn das englische Quintett durch Veröffentlichungen und Auftritte auf sein nahezu ungebrochenes Fortfahren hinweist. Das ist wie eine alte Kneipe, die sich noch gegen fortschreitende Erlebnisgastronomie behauptet, die die eigene Geschichtsschreibung stützt.

Die unglaubliche Anzahl von Wechseln in der Bandzusammensetzung haben vor etwa vier Jahren aufgehört und einen Kern von wertkonservativen (im positiven Sinne) Musikern zurückgelassen. Und was ging nicht alles aus dieser Ursuppe des Grindcore hervor, Carcass, Godflesh, Scorn, um nur die wichtigsten Abspaltungen zu nennen, die in unterschiedlichster Weise den Gedanken musikalischer Extremität weiter- und umformulierten.

Was blieb, ist der politisch korrekte, vom Postulat immer schnellerer Weiterentwicklung unangenehm irritierte Stammtisch hart spielender Fußballfans. Ohne Distanz, weder zum eigenen Schaffen noch zu den Fans, mit welchen die Band seit jeher gern die Bühne teilt. Das sind Metaller, denen die erzielte Befreiung von Metal-Männlichkeitsposen und Soli ausreicht, die einer technisch herstellbaren Konstruktion von Härte mißtrauen, für die Napalm Death einen Lebensentwurf darstellt wie Blues oder HipHop.

Ähnliches gibt es unter den drei Gruppen, denen die Institution größeres Publikum bietet, nur von Crowbar zu berichten. Zwar spielt das Quartett fülliger Männer aus New Orleans, das zwei nahezu identische Tonträger mit je zehn nahezu identischen Liedern aufnahm, im Prinzip Bluesrock und hat mit Geschwindigkeit nichts am Hut. Doch auch Crowbar verachten die Gitarrenonanie des einzelnen und ergeben sich mit nicht nachlassender Wonne der eigenen akustischen Gewalt.

Menschen, denen soviel Kontinuität Probleme bereitet, freuen sich im Vorfeld über Face Down und Die Allergie aus dem Ex-und-hopp-Land.

Uschi Steiner

Fr, 15. März, 21 Uhr, Markthalle