Mit der Stadtbibliothek auf Du und Du
: Mode am Buchregal

■ SPD diskutierte ihre Zukunftsvisionen

Was kann dabei herauskommen, wenn freie Unternehmensberater sich über eine Zusammenarbeit mit Öffentlichen Bibliotheken Gedanken machen? „Die Vision einer Jil Sander-Bibliothek mit Modenschauen und regelmäßiger Präsentation der neuen Kollektionen“, führte Birgit Dankert ein Beispiel aus Hamburg an. „Ich sage das jetzt ohne Häme“, fuhr sie fort. Birgit Dankert ist Vorsitzende der Bundesvereinigung der deutschen Bibliotheksverbände und antwortete mit Jil Sander Detmar Leo, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD in der Bremer Bürgerschaft. Detmar Leo hatte sich Privatinvestoren für die Mitfinanzierung der Bremer Bibliotheken gewünscht. Birgit Dankert und Detmar Leo saßen gestern im Diskussionsforum der Bremer SPD-Bürgerschaftsfraktion zu der Frage „Stadtbibliothek der Zukunft?“

Die Frage war Programm der Veranstaltung. Es ging um die Wiederauffrischung der noch ungeklärten Neuordnung des Bremer Bibliothekssystems, die Teil der Koalitionsvereinbarungen ist. Es ging um Bibliotheks-Visionen, und es ging um deren Machbarkeit und Finanzierung. Viel Fachprominenz saß auf dem Podium: Horst von Hassel, Vorsitzender des Bibliotheken-Landesverbands; Bernd Meyer vom Deutschen Städtetag; Informatik-Professor Herbert Kubicek, der zur Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ im Bundestag gehört; der Bremer Schriftsteller Johanno Strasser; die Direktorin der Bremer Stadtbibliothek, Barbara Lison-Ziesow. Und mittendrin der Bote des Machbaren im Visionären, der Wirtschaftspolitiker Detmar Leo.

Er hatte den FachspezialistInnen die Idee der Kontingentfinanzierung mitgebracht. Die Bibliotheken sollen nicht mehr automatisch über einen festen Etat finanziert werden, sondern über das, was sie bieten. „Warum meint die Stadt Bremen immer, sie müsse alles alleine machen?“ Eine Investorengemeinschaft müsse auf den Geschmack gebracht werden, am besten mit einem „multimedialen Zentrum“, so Leo.

Nichts gegen Multimedia und Internet, nichts gegen eine Zusammenführung öffentlicher Einrichtungen, nichts gegen einen Synergieeffekt unter einem Dach – doch die Bibliothek muß öffentlich bleiben, mahnte Senator a.D. Horst von Hassel. Und Horst Mayer vom Städtetag hob noch einmal deren Nonprofit-Auftrag hervor. Dinge wie literarische Sammelaufträge oder multikulturelle Angebote ließen sich eben nicht marktfähig machen. Zusätzliche Einnahmen über neue Online-Dienste sind in Ordnung, doch erhöhte Ausleih-Gebühren bleiben das rote Tuch.

Wo das hinführt, wenn Bilbiotheken da nicht unterscheiden und alles quantifizierbar also in Mark und Pfennig berechenbar machen sollen, darüber hatte Birgit Dankert wieder aus Hamburg zu berichten, diesmal in Form eines Rechenbeispiels. Wenn in Hamburgs Öffentlichen Bücherhallen die BenutzerInnen den gesamten Service der Bibliotheken zu bezahlen hätten, kämen sie auf 5,30 Mark pro Ausleihe.

Modernisierungsideen, Rationalisierungszwänge, personelle und finanzielle Engpässe – nur am Rande ging es gestern auch darum, daß einzelne Stadtteilbibliotheken nur noch an zwei Tagen in der Woche geöffnet sind, daß in keinem Fall alle 30 Stadtteilbibliotheken gehalten werden können. Auch eine gut ausgebaute Zentralbibliothek sei immer noch Wunschtraum, so Kultursenatorin Bringfriede Kahrs in ihrem Grußwort. Hier hatte Detmar Leo wieder eine Standortvision parat, bzw. wärmte eine alte auf: das Postamt 5. sip