Heißes Pflaster Großstadt

Die Ausstellung „Klima in der Stadt“ zeigt Berlin als warmen, trockenen Ort, der eigentlich viel weiter südlich liegen müßte. Bringt der Bau von Hochhäusern mehr Gewitter in die Stadt?  ■ Von Bernhard Pötter

Die geplante Länderehe mag klappen, doch den wichtigsten Unterschied zwischen Berlin und Brandenburg wird sie nicht beseitigen: das Wetter. Denn trotz des kalten Winters, der den Hauptstadtbewohnern an den Nasen und Ohren biß, ist Berlin „nach dem Oberrheingraben der wärmste Punkt Deutschlands“. Solche gewagten, aber wissenschaftlich belegten Thesen zeigt die Ausstellung „Klima in der Stadt“ im Parkhaus des Volksparks Friedrichshain, eine AB-Maßnahme mit Unterstützung des Bezirksamtes und der Stiftung Naturschutz. Berlin macht sich wie andere Großstädte auch sein Klima zumindest teilweise selbst. Nach den Daten zu Temperatur und Klima liegt Berlin 300 Kilometer südlich seines wirklichen geographischen Platzes und bringt damit Fauna und Flora ziemlich durcheinander.

Im Brandenburger Umland jedenfalls klappert die Natur noch mit den Zähnen, wenn in der Hauptstadt schon Frühling gefeiert wird: Stadtbäume tragen in der Regel früher Blätter und Blüten als ihre Artgenossen im Umland, frost- und kälteempfindliche Pflanzen wie der Götterbaum oder der Schmetterlingsflieder haben sich in Berlin und nicht etwa im Umland angesiedelt. Die Existenz von „städtischen Wärmeinseln“ im Gegensatz zum Umland belegt der zweite Band des „Umweltatlas“ der Umweltverwaltung, auf deren Datensammlung sich die Ausstellung unter anderem stützt. So gibt es in der Stadt jeweils fünf bis zehn Prozent mehr Bewölkung und Gewitter, und es regnet mehr und häufiger als im Umland.

Doch die Karten des Umweltatlas zeigen auch, daß die Innenstadt dabei fast trocken bleibt: Die Regenwolken aus dem Westen bleiben selbst an den mickrigen Havelbergen hängen. Der Wind in der Stadt bläst bis zu dreißig Prozent langsamer als auf Brandenburger Feldern, im Winter gibt es doppelt so häufig Nebel in der Stadt, weil die Feuchtigkeit an den Dreckpartikeln in der Luft besser kondensieren kann. Die Dunstglocke über den Dächern raubt den Hauptstädtern zehn Prozent des Sonnenlichtes. Wer einen sternklaren Himmel sehen will, der muß ins Umland fahren.

Berlin ist ein heißes Pflaster: Im Schnitt 0,5 bis 1,5 Grad Celsius müssen die Berliner weniger heizen als die Brandenburger, die Stadt hat, übers Jahr gerechnet, eine Durchschnittstemperatur von stolzen 10,5 Grad, doch innerhalb der Stadtgrenzen kann die Temperatur ordentlich schwanken: zwischen Alex und Grunewald um bis zu 10 Grad, zwischen Tiergarten und der bebauten Fläche an seinen Rändern immer noch um ganze 6 Grad. Temperaturaufzeichnungen zeigen eine konstante Erwärmung der Innenstadt seit den Gründerjahren. Je stärker die Stadt verbaut wird, desto wärmer wird sie: So speichern die großen Gebäude im Sommer bis in die Nacht die Tageswärme, so verhindert das Ableiten von Regenwasser eine Kühlung durch Verdunstung. Kaltluftschneisen werden durchschnitten: Die Experten der Umweltverwaltung erwarten nach dem Ende der Bauarbeiten am Potsdamer Platz und dem Regierungsviertel, daß der Bereich der Höchsttemperaturen, wo es auch nachts im Sommer nicht mehr zur Abkühlung kommt, sich in der Innenstadt um den Tiergarten schließt.

Das geplante Hochhausgewitter des Architekten Hans Kollhoff am Alexanderplatz könnte nach ihren Berechnungen möglicherweise zu verstärkten Niederschlägen in Friedrichshain führen, weil die Wolken sich dort abregnen könnten.

Die ansonsten trockene Wärme in Berlin paßt den „trockentoleranten“ Tieren wie etwa Schmetterlingen, bestimmten Wespenarten und Vögeln, die sich trotz ihrer Bestimmung als Zugvögel dem Lockruf des Südens verweigern und in Berlin überwintern. Frösche und Amphibien dagegen kriechen lieber ins Umland und nehmen feuchtigkeitsliebende Pflanzen gleich mit. Die Umwelteinflüsse, so ist in der Ausstellung zu lesen, ändern auch das genetisch bedingte Verhalten der Tiere: So überlebt im Kampf ums Dasein nicht unbedingt der Vogel mit dem stärksten Schnabel, sondern der mit dem besten Platz am Futterhäuschen. Und die Käuze, die entlang der großen Straßen in der Innenstadt hausen, haben laut Aussagen der Ausstellungsmacher ihre Nachtflugfähigkeit bereits teilweise verloren: Bei dauernder Straßenbeleuchtung können sie mit ihrer Nachtsicht nicht mehr viel anfangen.

„Klima in der Stadt“, Parkhaus im Volkspark Friedrichshain, Montag und Mittwoch bis Freitag, 9–15 Uhr, Eintritt frei