Castor allein oder Solo für zwei

■ Niedersachsens Innenminister Glogowski streitet mit RWE: Wie viele Atomtransporte verträgt die Polizei?

Hannover (taz) – Wenn es um Atomtransporte geht, verlangen die Stromkonzerne RWE und Bayernwerk vollen Einsatz, zu jeder Zeit und rund um die Uhr. Doch Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) spielt nicht mit. Am 7. und 8. Mai wird ein Castor aus der Wiederaufbereitungsanlage von La Hague im Zwischenlager Gorleben erwartet. Ein weiterer ist auch schon angekündigt – aus dem AKW Gundremmingen, das RWE und Bayernwerk zusammen betreiben. Nur scheint in Gundremmingen das radioaktive Gefährt nicht schon Anfang Mai reisefertig gemacht werden zu können. Die beiden Stromkonzerne haben um einen späteren Termin ersucht.

Doch diesen Wunsch will ihnen Glogowski nicht erfüllen. Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte er schon am 14. März den beiden Betreibern mitgeteilt, daß die Polizei kurz nach dem Transport aus La Hague nicht auch noch den aus Gundremmingen bewältigen könne. „Der Schutz von zwei Transporten in zeitlicher Nähe bei unvermindert anhaltendem Widerstand kann nicht gewährleistet werden“, heißt es in Glogowskis Brief. Auch sei ein polizeilicher Großeinsatz nicht beliebig oft wiederholbar.

Bayernwerk und RWE werfen dem Innenminister nun „De-facto-Kapitulation vor mutmaßlichen Straftätern vor“. Beide befürchten, daß sich ihr Transport aus Gundremmingen bis in den Herbst verzögern könnte, wollen dies aber nicht hinnehmen und drängen in Niedersachsen auf eine „baldige Klärung“. Einen Grund zur Eile kann das Innenministerium in Hannover jedoch nicht erkennen. Immerhin hat Glogowski für den Großeinsatz der Polizei in der zweiten Maiwoche bereits Unterstützung aus dem gesamten Bundesgebiet angefordert. Eine Verschiebung des Transports aus Gundremmingen sei deshalb keineswegs eine Kapitulation vor Straftätern, sagte der Sprecher des Innenministeriums gestern. Das Ganze sei vielmehr eine recht einfache Abwägung von Kosten und Nutzen: „Bei jedem weiteren Transport sind die Kosten extrem hoch und der Nutzen gering“, meint Glogowskis Sprecher Behnke. Dem Einsatz von 15.000 Polizisten, der beim ersten Castor-Transport im vergangenen April 28 Millionen Mark gekostet habe, stehe ein Transport gegenüber, der keineswegs zwingend sei. Die Kraftwerksbetreiber könnten ebensogut weiter die Lagerkapazitäten an den AKW-Standorten nutzen, die noch weit bis ins nächste Jahrtausend ausreichen würden. Daß schon der nächste Castor ohne massive Polizeibegleitung kaum ins Zwischenlager gelangen wird, haben unterdessen unbekannte AKW-Gegner erneut bewiesen: An der Verladestation am Bahnhof Dannenberg sägten sie einen Strommast um. Und auch die Polizei ist kräftig dabei zu üben: Sogar Pferdestaffeln werden ausrücken, wenn heute in Dannenberg die AKW-Gegner aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg mit ihrer lang angekündigten „Aktion Frühjahrsputz“ einen Vorgeschmack auf den nächsten Tag X geben werden.

Die Bürgerinitiative legt Wert auf einen friedlichen Verlauf der Ostertage. Aber sie läßt keinen Zweifel an ihren Absichten. Auf dem Dannenberger Marktplatz ist ein Schienenstück aufgebockt. Interessierte können daran das Sägen üben – für den Fall, daß am 7. und 8. Mai tatsächlich der Castor aus Frankreich anrollt. Jürgen Voges