■ Soundcheck
: Gehört: Lou Reed und Kind

Gehört: Lou Reed Die Lederhose stellte alles klar. Es sollte nicht wie bei Lou Reeds letztem Auftritt um Kammermusik im weißen Sakko gehen, sondern um Rock'n'Roll. Um den Eindruck zu verstärken, hatte sich der über 50jährige die Nackenspoiler gestutzt und tat die wenigen Bewegungen eher energisch als abgeklärt. Dabei behielt er immer seine Coolness, distanzierende Geste wie Geisteshaltung. Das war kein älterer Herr, der mit vermutlich gefärbten Haaren den drahtigen Berufsjugendlichen mimt. Lou Reed ist ein beeindruckendes Rollenmodell zum Thema: Wie kann man als Musiker in Würde altern, ohne sich und andere mit Wiederholungen zu langweilen? Was sich auf Tonträgern noch wie verschiedene Repertoires ausnimmt, wurde live zu einer Variation über Rock'n'Roll gebündelt. Immer wieder zeigte Lou Reed die Phraseologie von Blues und Rock'n'Roll auf, wenn die Stücke zusammenfielen, sich zerlegten, um sich wieder aufzubauen. Dann war etwas von „intelligent Rock'n'Roll“ in den Ohren – so lange, bis mit viel Sinn aber weniger Verstand fast unter Niveau losgerockt wurde. Dann blieb den Zuschauern im ausverkauften Docks immer noch die Lichtarchitektur, die den Stücken ein bestimmtes farbliches Thema zuordnete. Bis die Lederhose kunterbunt schimmerte. V. Marquardt

Gehört: Kind aus Hamburg sind eine Band, die etwas „größer“ machen will: In ihrer Musik soll all das auf einer größeren Fläche aufgefangen und mit kraftvollerem Schwung zurückgegeben werden, was sich sonst nur mit gutem Willen und einigen Bemerkungen auffangen läßt. Mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und einem Sänger, der sich in den instrumentalen Zusammenhang reinstellt, -drückt und -hunzt, konturiert die Gruppe das Bewußtsein, statt es wieder einmal bloß wohlmeinend zu „erweitern“. Kind übertrugen sich am Sonntag im Molotow drei Aufgaben: Die Ernüchterung zu überschauen, Wucht zu erreichen und Tragik zu erkennen. Also in etwa die Aufgaben, die sich ergeben, wenn Physik (Wucht), Literatur (Tragik) und der Rest (Ernüchterung) gleichzeitig angegangen werden sollen. Am unabhängigsten wirken diesbezüglich die Instrumentalisten, am konventionellsten tritt dem Publikum der Sänger entgegen, der sich noch zu oft zu seinen Mitspielerinnen umschaut. Eine Band, die noch groß wird. K. Schreuf