USA und Japan bekräftigen Allianz

Beide Staaten feierten gestern ihr Sicherheitsbündnis für das 21. Jahrhundert. Ändern wird sich wenig, und die japanische Bevölkerung hat andere Sorgen  ■ Aus Yokosuka Chikako Yamamoto und Georg Blume

Wäre Bill Clinton gestern nicht mit dem Hubschrauber geflogen, hätte ihn sein Weg südlich von Tokio durch die im Weiß der Kirschblüten glänzenden Berge über die alte japanische Hauptstadt Kamakura an die Küste der Halbinsel Miura geführt. Dicht hinter Kamakura weitet sich der Blick plötzlich. Vor dem Blau des Pazifiks breitet sich eine gigantische Hafenlandschaft aus. Unzählige Kriegsschiffe, bestückt mit festlichen Fahnen für den Besuch des US- amerikanischen Präsidenten, liegen in der natürlichen Bucht von Yokosuka vor Anker. Japanische und US-amerikanische Flaggen wehen nebeneinander, denn beide Nationen unterhalten in Yokosuka große Militärhäfen. Grund der Feiern: die Unterzeichnung einer „Gemeinsamen amerikanisch-japanischen Erklärung zur Sicherheitsallianz für das 21. Jahrhundert“.

An Bord des Flugzeugträgers USS Independence, der in Yokosuka seinen Heimathafen hat, gab Clinton gestern ein Stelldichein. Japaner waren nicht an Bord, als der oberste Befehlshaber der stärksten Militärmacht vorführen wollte, daß die USA die Zügel in Asien nicht aus der Hand geben. Erst vor wenigen Wochen war die USS Independence ausgelaufen, um gegen die chinesischen Raketenmänover vor der taiwanesischen Küste zu demonstrieren, wer der Herr über den Pazifik ist. Es fehlte gestern nur noch, daß Clinton einen Kampfanzug anlegte, wie es chinesische oder nordkoreanische Führer bei ähnlichen Gelegenheiten tun.

Es war auffällig, daß von dem Staatsakt auf dem Wasser an Land kaum etwas zu bemerken war. Drei alte Damen im Rathauspark von Yokosuka nahmen fröhlich gelaunt ihr Reisball-Picknick ein und wußten nicht einmal, wer ihnen die ganze Polizei im Ort beschert hatte. Von der Reporterin über das Ereignis aufgeklärt, winkten sie ab: „Was interessieren uns die Amerikaner. Uns empört, was die Regierung derzeit mit unseren Steuergeldern zur Beilegung der Bankenkrise vorhat.“ Also ließ sich den drei Frauen nicht einmal politisches Desinteresse unterstellen. Schließlich gibt es gute Gründe, die japanische Bankenkrise – das Systemrisiko Nummer eins für die internationalen Finanzmärkte – ernster zu nehmen als den Besuch eines großtuerischen Präsidenten.

Dabei hätte sich Bill Clinton in Yokosuka ruhig Zeit lassen können, um die japanische Provinz ein wenig kennenzulernen. Mit Ausnahme eines Dutzend friedfertiger Demonstranten, die vor einem Supermarkt „Clinton, geh' nach Hause!“-Plakate hochielten, wäre ihm keine feindliche Seele begegnet. Zudem hätte ihm ein örtlicher Ladenbesitzer erklären können: „Die Leute mit den Plakaten sind nicht von hier. Yokosuka ist nicht Okinawa. Wir sind nicht gegen die Militärbasen. Die jungen Leute kommen sogar zu uns, um Freundschaften mit Amerikanern zu schließen.“

Das wäre nun wirklich eine aufmunternde Botschaft für den Präsidenten gewesen, der vor seiner Ankunft in Japan alle Hände voll zu tun gehabt hatte, um nach der Vergewaltigung eines Schulmädchens durch drei US-Soldaten auf Okinawa die dortigen Proteste zu besänftigen. Wie man inzwischen weiß, fanden Clinton und Japans Premier Ryutaro Hashimoto in letzter Minute zu einer Okinawa- Lösung, die vorsieht, daß die USA zwanzig Prozent ihres Militärgebiets auf Japans südlichster Insel aufgeben. Zudem bedankte sich Clinton gestern auf seiner abschließenden Pressekonferenz für die „Möglichkeit, dem Volk von Okinawa angemessen zu antworten“. In Yokosuka wäre das gar nicht nötig gewesen.

In der immerhin 400.000 Einwohner zählenden Hafenstadt verglich Premier Hashimoto gestern die Beziehungen seines Landes zu den USA mit einem japanischen Tempel: Seine starken Säulen ähnelten dem tiefen Verständnis beider Völker, das weite Dach darüber könne man mit den gemeinsamen Werten von Demokratie und Menschenrechten vergleichen. So bildhaft programmatisch spricht ein japanischer Premierminister nur selten. Und doch haftete den stolzen Formulierungen Hashimotos und den großzügigen Gesten Clinton („Wir wollen kein Land dominieren oder kontrollieren“) ein Déjà-vu an.

Da war plötzlich von einem „Post-Cold-War“-Bündnis die Rede, ohne daß sich irgend etwas Wesentliches in den Inhalten der Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten geändert hat. Die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt wird auch nach dieser Erklärung ein sicherheitspolitisches Anhängsel der USA bleiben. In Yokosuka wird weiterhin die global operierende Pazifikflotte der USA neben den ebenso modernen japanischen Schiffen stationiert sein, die jedoch nur Küstenwachfunktionen übernehmen. Ein solches Bündnis kann wohl nur solange halten, wie der Präsident der USA eine Stadt wie Yokosuka besuchen kann, ohne daß es dort jemand merkt oder wissen will.