Venezuela verzehnfacht den Dieselpreis

■ Hartes Sparprogramm soll Finanzen des „lateinamerikanischen Emirats“ retten

Rio de Janeiro (taz) – Mit Subventionen der öffentlichen Verkehrsmittel will Venezuelas Präsident Rafael Caldera die landesweiten Proteste gegen die jüngste Wirtschaftsreform auffangen. Caldera überraschte zu Beginn der Woche seine 21 Millionen Landsleute mit einer neunhundertprozentigen Preiserhöhung für Diesel (jetzt: 10 Cent) sowie einem Aufschlag von 500 Prozent auf Benzin. Das 80jährige Staatsoberhaupt beugte sich den Anforderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Sanierung der prekären öffentlichen Finanzen. Ohne die drastische Wirtschaftsreform bleibt dem ehemaligen „Emirat Lateinamerikas“ eine internationale Finanzspritze von rund sechs Milliarden Dollar versagt.

„Uns bleibt keine andere Wahl“, erklärte Caldera am vergangenen Dienstag in einer Fernsehansprache. Der Präsident, seit Februar 1994 im Amt, hatte während seiner Wahlkampagne versprochen, weder die Benzinpreise zu erhöhen noch Hilfe bei internationalen Finanzorganisationen zu suchen. Um gewaltsame Proteste der Bevölkerung zu verhindern, kündigte Caldera am Donnerstag eine vorübergehende Subvention des öffentlichen Personentransportes an. Den durch die Treibstofferhöhungen hervorgerufenen Tarifanstieg für Busse zahlt vorläufig die venezuelanische Regierung. Die Furcht vor Unruhen ist nicht unbegründet: Als Expräsident Carlos Andres Perez vor sechs Jahren der Bevölkerung ein Sparprogramm aufzwang, kamen bei den Zusammenstößen von Demonstranten und Polizisten 300 Menschen ums Leben.

Die radikale Kehrtwende Calderas erklärt sich durch Venezuelas Wirtschaftskrise. Das Haushaltsdefizit des ehemals reichsten Landes Lateinamerikas beträgt mittlerweile sieben Prozent des Bruttosozialproduktes. In den vergangenen drei Monaten summierte sich die Inflation auf 24 Prozent.

Neben der drastischen Erhöhung der Benzinpreise verpflichtete Caldera sich gegenüber dem IWF, die Luxussteuer von 12,5 auf 16,5 Prozent anzuheben sowie den Wechselkurs freizugeben. Seit 22 Monaten werden für einen US- Dollar 290 „Bolivar“ bezahlt. Die venezuelanische Währung verliert seit dem Preisverfall des Erdöls in den 80er Jahren an Wert. Einschneidend war die abrupte Abwertung im Oktober 1988: Nach 25 Jahren rutschte der Kurs gegenüber dem US-Dollar von vier auf 14 zu eins.

Die venezuelanischen Oppositionsparteien kritisierten die Abwesenheit eines langfristigen Stabilitätsprogramms. „Ohne ein globes Projekt verlangen die Maßnahmen der Bevölkerung erneut unnütze Opfer ab“, erklärte der Generalsekretär der sozialdemokratischen Partei „Accion Democratica“ (AD), Angel Reinaldo Ortega, in der argentinischen Tageszeitung Clarin. Die Unternehmervertretung „Fedecamaras“ forderte die Bekämpfung der wahren Ursachen der venezuelanischen Wirtschaftskrise: Staatskapitalismus, Klientelismus und Populismus. Astrid Prange