Es bleibt bei der Großen Koalition

■ Die Koalitionskrise in Mecklenburg-Vorpommern ist vorerst beigelegt. PDS: „Die SPD ist eine Weichwurst!“

Schwerin (taz) – „Die Psychologie ist in Schwerin nicht ganz einfach“, tat CDU-Fraktionschef Eckhardt Rehberg gestern harmlos. So läßt sich ein Irrenhaus auch beschreiben. Da stürzen sich CDU und SPD in Mecklenburg-Vorpommern um Ostern herum in ihre schwerste Koalitionskrise. Die SPD fordert den Rücktritt von CDU-Finanzministerin Bärbel Kleedehn, die CDU weigert sich. Über ein Mißtrauensvotum, eine Regierungsbeteiligung der PDS, über Neuwahlen wird spekuliert. Die Republik starrt am Montag abend nach Schwerin und wartet auf den angekündigten Showdown. Krisensitzung der Koalition. Ergebnis in der späten Nacht: Es war alles nicht so gemeint, Freunde. Im Klartext der „gemeinsamen Erklärung“ von CDU und SPD: „Aufgrund der Diskussion kann festgestellt werden, daß beide Partner angesichts der denkbaren politischen Konstellationen die Fortführung der Großen Koalition wünschen.“

Montag abend scheint das Schweriner Schloß vom Irrenhaus weit entfernt. Ein leichter Kohlgeruch vom Kantinenessen zieht durch die Flure, irgendwo übt die Mecklenburgische Staatskapelle ein Stück von Mozart. Im vierten Stock will das niemand hören. CDU-Ministerpräsident Berndt Seite und die CDU-Landesvorsitzende Angela Merkel hocken da mit SPD-Landeschef Harald Ringstorff und fünf weiteren Parteivertretern hinter geschlossener Tür. Als sich diese nach fünfeinhalb Stunden endlich öffnet, wirkt Merkel reichlich abgespannt, Seite lächelt milde, Ringstorff guckt grimmig. Gemeinsam verlesen die Kontrahenten ihr Sechs-Punkte- Papier. Fragen werden nicht beantwortet. Am Donnerstag sollen die Gespräche fortgeführt werden. Was ist bei der Beratung herausgekommen? Ministerpräsident Seite wird aufgefordert, die „Einhaltung von Kabinettsbeschlüssen durchzusetzen“, denn am Alleingang seiner Finanzministerin Kleedehn im Werftenkompromiß hat sich der Streit entzündet. Die SPD, die den Rücktritt von Bärbel Kleedehn bis Montag gefordert hatte, ist von ihrem Ultimatum abgerückt, fordert aber eine „Lösung der personellen Probleme“ ohne Kleedehns Namen zu nennen. Die CDU beharrt nicht mehr explizit auf dem Verbleib der Ministerin im Amt, besteht aber auf ihrer Personalhoheit. Wahrscheinlich wird sie sich mit einer Rochade im Kabinett aus der Affäre ziehen. Windelweich klingt jede Formulierung, doch eins ist klar: die CDU hat vorerst gewonnen, der ehrgeizige Ringstorff muß seine Ambitionen auf das Ministerpräsidentenamt erneut vertagen. Wochenlang machte er Stimmung gegen die Große Koalition, jetzt ist er eingeknickt. Eine Hoffnung von Ringstorff war, Ministerpräsident Seite mit einem konstruktiven Mißtrauensvotum von seinem Stuhl zu vertreiben und sich selbst draufzusetzen. Doch kann er sich der dazu nötigen Stimmen aus der SPD und der PDS sicher sein? Wahrscheinlich nicht. Noch nach Ostern glaubte die SPD, die Stimmung im Land bei einem Koalitionsbruch hinter sich zu haben. Doch neueste Umfragen haben gezeigt, daß die Wähler mitten in der Krise der Werften, der größten Industrie des Landes, wenig Verständnis für solche Querelen haben. Neuwahlen würden voraussichtlich der CDU und der PDS nützen, der SPD nicht.

Das Nachsehen hat jetzt die PDS, die bereits von einer Regierungsbeteiligung oder einer SPD- Minderheiten-Regierung von PDS-Gnaden geträumt hatte. Ziemlich sauer verkündeten die Knallroten gestern: „Die SPD ist eine Weichwurst!“ Bascha Mika