„Das Umland saugt Sie aus“

■ Bremen muß jungen Leuten ein attraktives Zuhause geben, fordert eine Studie

„Wir müssen unsere Menschen hier in Bremen halten.“ Bausenator Bernt Schulte schlug einen familiären Ton an. Der war auch angebracht, denn man beschäftigte sich mit dem Bremer Wohnungsmarkt, und das Thema, das dabei am stärksten unter den Nägeln brennt, sind die Familien. Bremen will die Jungfamilien halten. Diese aber brechen aus und mutieren zu HäuslebauerInnen. Im Umland, „und dieses Umland wird auch in Zukunft noch drei- bis viertausend Menschen pro Jahr aus Bremen absaugen.“ Der solches prognostiziert, ist Dr. Klaus-Peter Möller, Leiter des Eduard-Pestel-Instituts für Systemforschung in Hannover.

Möllers Institut mit der so schwergewichtigen Bezeichnung beschäftigt sich u.a. mit so schwergewichtigen Dingen wie der Entwicklung des Wohnungsmarktes. Genau das haben die Hannoveraner in den letzten Jahren mit Blick auf Bremen getan, beauftragt von der Bremer Sparkasse. Man versprach sich Weissagungen, und die gab es auch bei der Präsentation des „Wohnungsmarktes bis zum Jahr 2005“ im Bremer Congress Centrum.

Da belegte Klaus-Peter Möller zunächst einmal mit vielen bunten Graphiken, Tabellen, Diagrammen und der Magie statistischer Zahlen genau das, was alle schon längst beobachten und weiter befürchten: Bremen ist der Verlierer, Niedersachsen der Gewinner.

Denn exakt, was Bausenator (Väterchen) Schulte sich wünscht, gelingt nicht so recht. „Bautätigkeit und Haushaltsbildung“ in Bremen sind weit zurückgeblieben“, präsentierte der Statistiker die ausgezählte Wahrheit. Nur 2.500 bis 3.000 Neubauten gehen auf das Konto der Stadt. Im Umland dagegen werden zur Zeit 5.000 Wohnungen im Jahr gebaut, „bei deutlich niedrigerer Bevölkerung!“ Mahnte Möller und lobte die wesentlich ausgeprägtere Bau-Harmonie etwa in Verden oder Achim. „Enorme Zahlen“ für das gesamte Bremer Umland belegen auch dies: 1987 noch 1.367 Neubauten, 1995 sage und schreibe 5.118.

Bremen hinkt eindeutig hinterher, brachte es 1995 nur auf 2.780 neue Häuser. Und „Baugenehmigung und Baufertigstellung klaffen auseinander wie in keiner anderen Stadt“, rügte der Statistiker. „So etwas haben wir in anderen Städten nicht gefunden.“ Na, da ging doch ein Raunen durch den Raum.

Wie sieht es mit den Bauwilligen aus? Bremen nagt an der Angst, daß die Bevölkerung sowieso auf „natürlichem“ Wege zurückgeht. Denn diejenigen, die noch in den letzten Jahren die Statistik beschönigten, die „ZuwandererInnen“, werden weniger werden. Klaus-Peter Möller warnte auch hier vor dem Trend, der sich schon jetzt abzeichnet: Wenn es so weitergeht, wird im Jahre 2005 Bremen-Stadt eine „Wüste“ der (Über-)40-Jährigen sein. Die Jüngeren sind dann schon längst weg und haben ihre Kinder mitgenommen.

„Da müssen Sie sich dann auch ernsthaft Gedanken über die Schulpolitik machen.“ Statistiker Möller wollte überhaupt nicht einlenken, kam aber dann trotzdem zum klaren Resümee: „Schon jetzt fehlen in Bremen 7.000 Wohnungen. Und bis Zweitausendfünf werden in Bremen siebentausend Ein- und Zweifamilienheime nachgefragt. Da stimmen wir mit der Senatsprognose überein, da wurde richtig gerechnet. Aber Sie müssen sich fragen: Ist die Fläche dafür da?“ 280 bis 300 Hektar Bedarf rechnete Möller vor.

Da meldete sich Christian Plath vom Bremer Planungsamt: „Wir zählen Wohneinheiten und nicht Hektar!“ 30.000 Einheiten seien geplant, nur 20.000 aber definitiv nachgefragt.

Bremens Rettung aber sei das Einfamilienhaus also Fläche, wiederholte Möller. Wie hatte Bausenator Bernt Schulte sich eingangs pauschal eingepaßt? „Das Vorantreiben des Eigenheimes ist politische Zielsetzung.“ Aber wo?

sip