Ein Koalitionsvertrag für Kiel

■ Zäh wurde verhandelt, doch das konkrete Ergebnis bleibt im dunkeln. Die Grünen sollen zwei Ministerien bekommen

Kiel (taz) – Es ist vollbracht. Nach vier Wochen Gezerre, taktischen Spielchen, Nervenkrieg und gegenseitigem Mißtrauen haben sich SPD und Bündnisgrüne auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Nach einer nächtlichen Marathonsitzung unterschrieben gestern morgen die 24 Unterhändler das über 200 Seiten starke Papier, in dem die künftigen Leitlinien für die gemeinsame Regierungsarbeit festlegt wurden.

Endgültig über den Vertrag entscheiden werden am 18. Mai die jeweiligen Parteitage. Die SPD-Basis hatte der zögernden Ministerpräsidentin Heide Simonis die Koalitionsverhandlung nachgerade aufgeschwatzt. So besteht denn auch kein Zweifel, daß der Parteitag am 18. Mai die jetzt getroffenen Vereinbarungen absegnet. Vor den Verhandlungen hatte Ministerpräsidentin Heide Simonis angekündigt: „Wenn wir jetzt einen Puzzlestein der Bündnisgrünen einsetzen, wird kein völlig neues Bild der Landespolitik entstehen.“

Ob es beim Regierungsbündnis wirklich nur einen grünen Puzzlestein geben wird, darüber schweigen die rot-grünen Unterhändler noch. Bis zum kommenden Dienstag wurde über Inhalte, Ministeriumszuschnitte und Regierungsmannschaft Stillschweigen vereinbart.

Bis zum Verhandlungsabschluß waren den Bündnisgrünen die Zweifel anzumerken, ob die Sozialdemokraten wirklich mit ihnen regieren wollen. Und die SPD ärgerte sich nicht nur über einige unbedachte Äußerungen der grünen Fraktionsvorsitzenden Fröhlich, sondern ließ auch durchblicken, daß es ihr manchmal vorkomme, „als ob unsere Jusos mit am Tisch sitzen“.

Auf dem Grünen-Parteitag wird alles davon abhängen, ob die Basis die Kompromißformel zur Ostseeautobahn A20 schluckt. Die Koalitionsvereinbarung schreibt in diesem Punkt den Dissens fest, aber sie läßt auch keine Hoffnung zu, daß das Land in der Lage ist, den Bau zu verhindern. Um so wichtiger sind für die Grünen die Erfolge auf anderen Feldern. Etwa die Schaffung eines Flüchtlingsbeauftragten des Landes, die Einrichtung einer Härtefallkommission beim Innenminister, die Einführung des Zweistimmenwahlrechtes, eine verbesserte Frauenförderung, die sich auch auf die private Wirtschaft durch entsprechende Kriterien bei der Auftragsvergabe auswirken soll.

Auf ihr Pluskonto verbuchen die Grünen dem Vernehmen nach auch zwei millionenschwere Gutachten zur Klärung der Häufung von Leukämieerkrankungen in der Nähe des Atomkraftwerkes Krümmel bei Geesthacht und für den Pinneberger Raum.

Daß es schwer sei, grünes Profil deutlich zu machen, räumen sogar Sozialdemokraten ein. Schließlich habe aufgrund des grünen Profils der schleswig-holsteinischen SPD die Ökopartei erst beim sechsten Anlauf den Einzug ins Parlament geschafft.

Trotz des vereinbarten Stillschweigens sickerte gestern in Kiel durch, daß die Bündnisgrünen voraussichtlich das Umweltministerium erhalten sollen, außerdem wird es im Bereich Finanzen und Energie einen grünen Staatssekretär geben, der für die Energie zuständig ist. Das zweite grüne Ministerium soll vermutlich aus den Bereichen Frauen, Wohnungsbau, Jugend und Familie zusammengesetzt werden. Als Umweltminister ist der Bundestagsabgeordnete Rainder Steenblock im Gespräch, als Energiestaatssekretär der Landtagsabgeordnete Willi Voigt. Unklar ist, ob die Bundestagsabgeordnete Angelika Beer das erweiterte Frauenministerium übernehmen wird.

In den Verhandlungen mit der SPD hatten die Bündnisgrünen ein um Energie und Landesplanung erweitertes Umweltministerium gefordert sowie ein Frauenministerium, zu dem auch der Bereich Bundesrats- und Europapolitik gehört. Dies haben sie nicht durchsetzen können. Kersten Kampen