Monolingualer Joker

Die Berlitz-School arbeitet ausschließlich mit muttersprachlichem Unterricht: Sprachgefühl per „Total Immersion“ und Computer  ■ Von Gereon Asmuth

Wenn der Arbeitsmarkt eng wird, können Sprachkenntnisse ausschlaggebend werden. Maximilian Delphinius Berlitz verließ vor 125 Jahren den Schwarzwald und nutzte seine Kenntnis von angeblich 58 Sprachen zur Gründung seiner ersten Sprachschule an der US- amerikanischen Ostküste. Sprachkenntnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Erfolg. Schon bald war Berlitz nicht mehr in der Lage, alle seine Schüler selbst zu unterrichten. Er engagierte einen jungen Franzosen, der jedoch, wie sich bei seiner Ankunft herausstellte, kein Wort Englisch sprach. Da Berlitz selbst erkrankt war, blieb ihm nichts anderes übrig, als dem monolingualen Assistenten die Schüler zu überlassen. Doch der Lückenbüßer entwickelte sich zum Joker. Wieder genesen, traf Berlitz zu seiner Überraschung auf äußerst zufriedene Schüler, die lebhaft in akzentuiertem Französisch parlierten.

Die Grundlage für die „Berlitz- Methode“ war geschaffen. Bis heute wird der Unterricht in den Berlitz-Sprachzentren ausschließlich in der Lernsprache abgehalten. Ein Rückgriff auf die Muttersprache der Schüler gilt als Tabu. „So wird der Schüler von Anfang an trainiert, in der neuen Sprache zu sprechen und zu denken“, beschreibt Oxana Schmidt, Leiterin des Berlitz-Sprachcenters in Berlin-Mitte, das Schulungsziel.

Die Sprechwilligen sollen die neue Sprache erlernen wie ein Kind. „Das paukt auch nicht zuerst die Grammatik“, meint Schmidt, „sondern erwirbt sich zunächst ein spielerisches Gefühl für die Sprache.“ So soll die Hemmung abgebaut werden, Fehler zu machen. Sollten sie doch vorkommen, werden sie durch konsequente Sprachübung wegtrainiert.

Die ausschließlich muttersprachlichen Lehrer der Berlitz- Kurse konzentrieren sich im Unterricht auf Einführung und Training unbekannter Formen. Das Lesen und Schreiben müssen die Schüler dann mit Hilfe der Begleitmaterialien zu Hause vertiefen. Das klassische Vokabelheft liegt dabei kaum noch auf dem Nachttisch. Neben Sprachkassetten sind Videos, in denen in realistischen Situationen der Sprachfluß geübt wird, zentrales Lernmedium. „I was waiting when“, beginnt eine spanische Touristin in einem englischen Polizeirevier ihren Bericht über einen Handtaschendiebstahl. Im Hintergrund klappern die Türen und plappern lautstark britische Cops. „Que horror“, fällt die verzweifelte Spanierin immer wieder in ihre Muttersprache zurück. Mit Rollenspielen werden solche Szenen im Unterricht vor- und nachbereitet.

Der moderne Mensch von heute jedoch braucht sich kaum noch auf den beschwerlichen Weg ins Spracheninstitut begeben. Ein „edu-tainmaint“-Programm für den Homecomputer bietet „spielerische Sprachaktivitäten“ für den Hausgebrauch. Ausgerüstet mit Soundcard und entsprechender Speicherkapazität kann der PC- User vollends in die Fremdsprachenkorrespondenz mit dem Rechner einsteigen. Englisch- Kurse auf CD-ROM beinhalten nicht nur das obligatorische Wörterbuch und Grammatikübungen, sondern unterhalten auch mit Musik- und Videosequenzen. Per Mikro kontrollieren sie sogar die eigene Aussprache. Wer sich dennoch unsicher fühlt, kann sich darüber hinaus online mit seinem persönlichen Sprachtutor verbinden lassen. Er hilft bei der Vorbereitung von Vorträgen, Geschäftsbriefen oder gewinnbringenden Telefonaten. Die korrigierten Hausaufgaben findet der Schüler in der Mailbox. Ein perfekter Einstieg in das Global village.

Das Berlitz-Konzept ist heute Unterrichtsgrundlage in weltweit mehr als 320 Schulungszentren. Nach dem McDonalds-Prinzip wird dabei den Schülern an jedem Ort das Gleiche serviert, was, so Oxana Schmidt, nicht nur die Fortsetzung einmal begonnener Kurse in anderen Ländern erleichtert. „Für spezielle Lernwünsche holen wir uns Lehrpersonal von unseren Zentren in den entsprechenden Ländern“, berichtet Schmidt. Wenn jedoch um die Lehre einer exotischen Sprache, wie etwa Bangla, einem südostkongolesischen Dialekt, gebeten werde, dauere es dann doch ein wenig, bis über Konsulate oder Missionsstellen geeignete Lehrer gefunden werden. Doch der Alltag der Berliner Sprachschule ist durch die Nachfrage geprägt. Auf dem Kursbrett finden sich im von Englisch und Französisch dominierten Sprachenmarkt allenfalls Spanisch- oder Italienischlektionen als bunte Einsprengsel.

Preise mag Oxana Schmidt für ihr differenziertes Lehrangebot nicht nennen. „Das hängt ab von der Kursgröße und der Intensität.“ Vor Vertragsunterzeichnung würde daher in einem Beratungsgespräch ein auf Ziel und Portemonnaie des Kunden zugeschnittenes Kursangebot zusammengestellt. „Total Immersion“ nennt sich die radikalste Kursvariante. Mindestens zwei Wochen werden sie neun Stunden täglich mit drei bis fünf sich abwechselnden Lehrern konfrontiert. Selbst beim Mittagessen werden die Sprachzöglinge mit der Fremdsprache gefüttert. Auch Sitten und Gebräuche werden vermittelt. Wer diese „Gehirnwäsche für Manager“ durchsteht, ist fast zwangsläufig in der Lage, ausländischen Geschäftspartnern zu folgen.

Etwas moderater verlaufen die in Kleingruppen durchgeführten Prüfungsvorbereitungen für Abiturienten oder die Ausbildung zur Fremdsprachenhosteß. Aber selbst die berufsbegleitenden Abendkurse haben eine Mindestdauer von drei Stunden. „Kürzer wäre zwecklos“, meint Oxana Schmidt. „Die Schüler müssen richtig in die Sprache eintauchen.“