"Wenn jeder sich ein Denkmal setzt...

■ ...geht das nicht", glaubt Jürgen Klemann (CDU). Trotzdem wünscht sich der Bausenator eine Schloßfassade als das "einzig richtige" Pendant zum Dom. Vom Denkmalschutz fühlt er sich gestört, weil dieser

taz: Ende Mai ist am Pariser Platz Richtfest beim Hotel Adlon. Andererseits ist vier Wochen vor dem 300. Geburtstag der Akademie der Künste immer noch unklar, wie ihr neues Domizil aussehen soll.

Jürgen Klemann: In Gesprächen mit dem Akademiepräsidenten Walter Jens haben wir klargestellt, daß trotz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen und trotz des Streits um die Gestaltung der Senat uneingeschränkt am Neubau der Akademie festhält.

Heißt das statt der Glasfassade von Günter Behnisch eine Steinfassade?

Es ist eine Fassade im Geiste der Gestaltungssatzung zu errichten. Für mich ist wichtig, daß der Pariser Platz als städtebauliches Ensemble zurückgewonnen werden soll. Die Vielzahl der Gespräche mit Investoren am Pariser Platz hat zu Veränderungen an den Fassaden geführt. Wenn jeder Architekt dort seine Duftmarke hinterläßt und sich sein eigenes Denkmal setzt, aber nicht Rücksicht nimmt auf den Ensemblecharakter, geht das nicht. Von Rekonstruktion rede ich nicht, auch nicht vom Bauen historischer Bilder.

Günter Behnisch hat als Architekt immer auf seinen Entwürfen beharrt. Kann der Konflikt „Stein oder Glas“ zum Bruch führen?

Wenn es mit Behnisch nicht geht, muß es ohne ihn gehen. Diese Frage muß sich aber die Akademie stellen. Ich mahne nur an, daß auch die Akademie, die ganz bewußt aus dem Rahmen fallen wollte, eine Verantwortung gegenüber der Stadt hat. An dieser Stelle kann nur ein aufeinander abgestimmtes Ensemble entstehen. Die Gliederung der Fassaden muß das gewährleisten.

Welcher Entwurf für den Pariser Platz wird noch zensiert?

Der Entwurf von Frank Gehry für die DG-Bank – obwohl ziemlich konservativ für seine Verhältnisse – stimmt mit den Gestaltungsregeln auch nicht überein. Bei den anderen Bauten haben wir fast schon die Stufe erreicht, wo ich sage: Damit kann sich die Stadt sehen lassen, das ist akzeptabel.

Stadtentwicklungssenator Peter Strieder hat gefordert, daß der Palast der Republik nicht abgerissen, sondern teilweise wiedereröffnet und genutzt werden soll. Finden Sie das auch akzeptabel?

Nein. Die Asbestsanierung wird jetzt beginnen. Danach wird nur noch ein Stahlgerippe vom Palast stehen bleiben. Was man dann macht, ist noch nicht entschieden. Den Palast allerdings in der Form wieder aufzubauen, wie man ihn jetzt hat, hielte ich für absurd.

Strieder will keine Wiederkehr des alten Palastes. Es sagt, weil kein Geld da ist, überlegen wir uns provisorische Lösungen.

Damit kann ich nichts anfangen. Ich bin auch nicht für die Variante, den Palast in eine Schloßfassade zu integrieren. Richtig ist, daß wir mit langem Atem an den Schloßplatz herangehen müssen, um am Ende eine Lösung zu haben, die von den Berlinern auch akzeptiert wird.

Sollte das Schloß wieder aufgebaut werden?

Ja, natürlich. Ich halte die Schloßfassade städtebaulich für das einzig richtige Pendant zum Dom. Das Innenleben, die Nutzung des Stadtschlosses ist dagegen noch offen, ebenso die Finanzierung. Berlin wird kaum dazu in der Lage sein.

Der Bund auch nicht.

Die Wohltäter mit einer Milliarde werden wir nicht finden. Aber wir können die öffentlichen Haushalte, auch die des Bundes, dahingehend überprüfen, ob öffentliche Bauvorhaben in die Nutzung des Schlosses integriert werden könnten. Wir sollten auf keinen Fall den Schloßaufbau auf das Jahr 2050 schieben und nach dem Abriß des Palastes der Republik die große Wüste pflegen.

Für die City West liegen Planungen für sieben Hochhäuser auf dem Tisch. Werden die gebaut?

Das eine oder andere Hochhaus wird entstehen. Gleichwohl sollte die Skyline dort nicht durch Hochhäuser geprägt sein. Sicher, der Bau des „Zoofensters“ für Brau und Brunnen oder das Victoria-Areal überragt die traditionelle Traufhöhe des Ku'damms. Um das Areal dauerhaft attraktiver zu machen, braucht man aber auch Erneuerungen. Architektonische Grausamkeiten wie das Ku'damm- Eck muß man nicht erhalten.

Hochhäuser ja, aber doch nicht überall. Was heißt das? Wie sieht um den Zoo Ihre Handschrift aus?

Zunächst sollte das realisiert werden, was im Rahmen konkreter Bauaufgaben ansteht: Das betrifft das Brau-und-Brunnen-Projekt „Zoofenster“ und das Victoria-Areal. Natürlich kann man den Gesamtbereich unter dem Gesichtspunkt untersuchen, wieviel städtebauliche Akzente verträgt ein solches Areal, ohne daß sich der Charakter total verändert. Ein Gesamtkonzept wäre wünschenswert, aber ich fürchte, daß es zu zeitaufwendig wäre und die Chancen für konkret mögliche Bauvorhaben verpaßt würden.

Das denkmalgeschützte Kranzler-Eck darf stehen bleiben. Das ebenfalls denkmalgeschützte Schimmelpfeng-Haus soll abgerissen werden. Ist Ihre Haltung in der Denkmalpflege uneindeutig?

Ich rede einem starken Denkmalschutz das Wort, denn in Berlin ist schon viel zuviel verlorengegangen. Das darf nur nicht dazu führen, daß die entwicklungspolitischen Chancen wegen des Denkmalschutzes verspielt werden.

Genau so haben immer die argumentiert, die später abgerissen haben.

Denkmalschutz ist eine Abwägungsfrage im Einzelfall. Beim Schimmelpfeng-Haus kann man nicht nur sagen, das ist ein „Kunstwerk“ der sechziger Jahre. Man muß auch fragen, wie kann die Hinterhofsituation an der Kantstraße beseitigt und das Areal zwischen Ku'damm, Joachimstaler- und Kantstraße aufgewertet werden. Das ist heute eine bessere Anlieferungszone. Die Gloria-Passage dort funktioniert nicht, der ganze Block funktioniert nicht. Das Schimmelpfeng-Haus bedingt das mit, und das Quergebäude riegelt die Kantstraße städtebaulich noch ab.

Die Hinterhofsituation bemängelt auch Charlottenburgs Baustadträtin Beate Profé. Sie fürchtet aber zugleich, der Bau von bis zu acht Hochhäusern rund um den Bahnhof Zoo werde eine Umstrukturierung der City West nach sich ziehen. Wie wollen Sie den „Dominoeffekt“ – auf ein Hochhaus folgt das nächste – verhindern?

Ich sehe momentan keine Gefahr, daß sich ein Dominoeffekt den Kurfürstendamm hinauf bis nach Halensee entwickelt. Der typischen Bebauung des Kurfürstendamms täte auch nicht an jeder Ecke ein Hochhaus gut. Direkt am Zoo-Bereich kann man aber weitere „Ausrufungszeichen“ in Erwägung ziehen. Wenn man das Schimmelpfeng-Haus abreißt, wird man einen zusätzlichen Akzent setzen müssen. Das muß nicht zwangsläufig dazu führen, daß am Ende des Bikini-Hauses in der Budapester Straße Hans Kollhoff den nächsten Turm errichtet.

Verabschiedet sich der Senat mangels Geld aus der Altbausanierung?

Die finanzielle Dimension der notwendigen Sanierungsmaßnahmen übertrifft die der Entwicklungsgebiete bei weitem. Der Bedarf an öffentlichen Geldern für Infrastrukturmaßnahmen in Sanierungsgebieten ist enorm. Wir wären aber als Stadt nicht gut beraten, uns aus der Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen zu verabschieden. Wenn wir eine vernünftige soziale Struktur dort erhalten wollen, dann dürfen wir nicht aufhören, die Gebiete aufzuwerten.

Wieviel Geld wird es für die Sanierung und Modernisierung geben?

Die Milliarde Mark im Bereich Stadterneuerung auf 800 Millionen Mark in diesem Jahr herunterzufahren fiel mir nicht leicht. Kein Programm sollte eingedampft werden. Die Mittel müssen aber noch effizienter eingesetzt werden.

Werden Stadtentwicklungsgebiete zugunsten der Sanierungsgebiete gekippt?

Kein Entwicklungsgebiet ist gekippt. Ob wir die Eldenaer Straße konkret erst ab dem Jahr 2000 angehen, darüber muß man sich unterhalten. Das Land ist erhebliche Verpflichtungen bei den Gebieten eingegangen, und es rechnet sich nicht, sich davon zu verabschieden.

Ist diese Haltung nicht blauäugig? Das Land ist diese Verpflichtungen eingegangen, als noch mehr Geld in der Kasse war. Jetzt sind Sie pleite.

Die Stadt muß verläßlich bleiben und zu ihren eingegangenen Verpflichtungen gegenüber Investoren stehen. Man muß allerdings überlegen, wie man vorgeht. Die Bauvorhaben sind alle angelegt auf 10 bis 15 Jahre. Man kann Vorhaben strecken. Das ist aber etwas anderes, als sich von einzelnen Entwicklungsgebieten gänzlich zu verabschieden. Es sind Prioritätensetzungen nötig. Die Wasserstadt Oberhavel und die Wissenschaftsstadt Adlershof haben hohe Priorität.

Der Bund hat Berlin 70 Millionen Mark für die Verlängerung der U 5 unter dem Regierungsviertel im Spreebogen angeboten. Wird der Senat das Angebot annehmen?

Natürlich. In der Koalitionsvereinbarung mit der SPD haben wir festgeschrieben, daß die Hauptstadtmittel des Bundes nicht verfallen sollen. Verkehrsminister Matthias Wissmann habe ich deshalb gebeten, daß diese Strecke ausschließlich aus Hauptstadtmitteln finanziert wird. Das passiert nun. Das bedeutet, daß Berlin keinerlei eigene Mittel dafür aufbringen muß.

Der Bund mahnt in der Frage der U 5 auch Vertragstreue an. Man muß auf Berliner Seite aufpassen, sich nicht von den Vereinbarungen zu verabschieden, die einem im Moment schwerfallen. Das könnte der Bund auch einmal tun.

Wie sinnvoll ist eine Anbindung des Transrapids an den Lehrter Bahnhof?

Ich finde die Referenzstrecke für den Transrapid zwischen Hamburg und Berlin für die Stadt attraktiv. Einige Fragen aber müssen geklärt werden. Ich hatte lange Zeit Zweifel, ob der Lehrter Bahnhof die bessere Wahl ist, weil mit dem Bahnhof Papestraße zugleich mehr Dezentralisierung geschaffen und dieser Bereich städtebaulich aufgewertet wird. Außerdem bleibt die Frage, ob nicht der Knotenpunkt Lehrter Bahnhof überlastet wird. Die Verknüpfung mit einem Großflughafen im Süden ist aber auch vom Lehrter Bahnhof möglich. Das Gespräch führten

Rolf Lautenschläger

und Gerd Nowakowski