Oslo stirbt langsam

■ Mit Peres verliert auch der Nahost-Friedensprozeß

Nicht „RamboII“, sondern politische Verhandlungen und Zugeständnisse führen auch in Israel zu der vielbeschworenen Sicherheit – eine politische Weisheit, die sich bei der Hälfte der israelischen WählerInnen offensichtlich noch nicht herumgesprochen hat. So kommt es zu einer paradoxen Situation: Die Hälfte der Israelis sagt ja zur Sicherheit, aber nein zur Rückgabe des Golan, nein zur Aufgabe von Siedlungen, nein zur Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge und nein zur Teilung Jerusalems. Wie das zusammengehen soll, kann auch nach der dramatischen Wahlnacht niemand erklären.

An dieser Situation haben nicht zuletzt die Arbeitspartei und Schimon Peres schuld. Sie haben sich dem vierfachen Nein des rechten Likud in den letzten Wochen angeschlossen. Doch klang der Wahlslogan „Sicherheit durch Stärke“ aus dem Mund von Netanjahu offensichtlich glaubhafter als aus dem von Peres. Dessen Politik war weder Fisch noch Fleisch. So ist er in die Defensive geraten und hat am Ende verloren.

Hätte er tatsächlich das politische Format und die Visionen, die ihm vor allem im Westen so gerne zugeschrieben werden, dann hätte er nach den Bombenanschlägen in Tel Aviv und Jerusalem und nach dem praktischen Einfrieren des Osloer Friedensprozesses sein Volk das Komplizierte denken lassen: Ihr wollt Frieden, aber den gibt es nicht ohne Palästinenser, und er wird uns alle etwas kosten. Das wäre für viele Israelis glaubhafter gewesen, als einfach die politische Tagesordnung von Netanjahu zu übernehmen.

Der Wahlsieger Netanjahu wird bei einer Bevölkerung, die ziemlich genau in der Mitte gespalten ist, keinen großen politischen Spielraum haben. Das in den letzten Atemzügen liegende Osloer Abkommen wird er offiziell wohl nicht zerreißen können. Weitere Fortschritte aber sind eben auch nicht zu erwarten. Das Ergebnis der israelischen Wahlen ist ein instabiler Status quo. So wird Oslo wohl doch sterben, wenn auch langsam. Die letzte Salbung hat es aber nicht etwa von dem Rechts- und Sicherheitspopulisten Netanjahu erhalten, sondern von Peres selbst, einem seiner Schöpfer. Dieser hatte nicht den Mut, den ganzen Prozeß offen zu Ende zu denken und ihm damit neues Leben einzuhauchen. Karim El-Gawhary, Jerusalem