Waldheim hat in zehn Jahren nichts dazugelernt

■ Österreichs ehemaliger Bundespräsident publiziert ein Dokument des Starrsinns

Wien (taz) – „Ich hatte einen Traum“, schrieb der Dichter Peter Handke vor zehn Jahren, daß „der Kandidat“ die rechten Worte finde „und so seinem Land jene Wende ermöglicht, ohne die es vor der Vergangenheit kein Entkommen gibt“. Doch der Kandidat – Kurt Waldheim – schwieg.

Und nun? Zehn Jahre nach seiner Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten veröffentlicht der ehemalige Oberstleutnant, Außenminister und UN-Generalsekretär die Abrechnung mit seinen Gegnern: „Die Antwort“ heißt das Buch, erschienen beim Rechtsaußenverlag Amalthea.

Sissy, die immer weinerliche Gattin des Expräsidenten, saß in der ersten Reihe, trotz der Hitze trugen viele der Herren schwere Lodenwämser, als Waldheims „Werk“ Dienstag abend im Wiener Parlament vorgestellt wurde. Noch einmal reckte das aus der Öffentlichkeit entschwundene Staatsoberhaupt seine ungelenken Spinnenarme ins Publikum und bot einen Blick in seine zerschrammte Seele. Von der „Treue zur Sache“ wurde geredet und von Gott, der – wie es ein Laudator so hübsch sagte – „sein Bild von Kurt Waldheim hat“. Eine Versammlung der Unentwegten.

Und so ist auch Kurt Waldheims Buch ein Dokument des Starrsinns geworden, die „Antwort“ eines Mannes, der die Frage nicht verstehen wollte. Das Erstaunlichste ist, daß er zu seiner „Causa“ nichts zu sagen hat – mit Ausnahme der bekannten Beteuerung, er sei weder Nazi gewesen, noch habe er persönliche Schuld auf sich geladen, schon gar nicht war er in Kriegsverbrechen verstrickt.

„Ich gebe zu“, schreibt Waldheim, „wenn ich mit irgend etwas nicht gerechnet habe, dann war es, mich gegen den Vorwurf verteidigen zu müssen, ich sei Nationalsozialist gewesen.“ Im NS-Studentenbund sei er ebensowenig Mitglied gewesen wie im SA-Reiterkorps, dieses habe ihn bloß als Mitglied geführt, weil der Reitklub, in dem er immer schon galoppierte, nach dem Anschluß diesem zugeschlagen wurde. Seine mangelhafte Auskunft über seine Kriegsjahre erklärt er damit, daß für ihn Krieg und Verwundung an der Ostfront das „Schlüsselerlebnis“ gewesen sei, die drei verschwiegenen Jahre als Offizier im Generalstab auf dem Balkan schienen ihm belanglos: „Sekretariatsarbeit“.

Die Tragödie des Kurt Waldheim gründet wohl darin, daß man ihm das alles durchaus glauben kann. Daß er nicht der große Bösewicht war, zu dem er im Wahlkampf von manchen gemacht wurde. Daß er aber bis heute nicht verstanden hat, worüber die Auseinandersetzung um ihn handelte.

Er sprach davon, er habe im Wehrmachtsrock „nur meine Pflicht erfüllt“; er hat den Antisemitismus zum Wahlkampfschlager gemacht, damit aber auch enthüllt, wie tief dieser in Österreich wurzelte. Die internationale Presse, sagte er 1986, werde „vom Jüdischen Weltkongreß beherrscht“. Man muß dies nachlesen, um den Exkursen dieser verfolgten Unschuld nicht aufzusitzen.

Natürlich wurde Waldheim auch Unrecht getan: An ihm wurde exemplarisch die NS-Geschichte Österreichs abgehandelt, obwohl er zum Exempel nicht wirklich taugte. Aber dieses „Unrecht“ hat, das ist die eigentliche Botschaft dieses Buches, in diesem verstockten Konservativen und Antisemiten den rechten getroffen. Wer hat ihm dieses angetan? Waldheim spricht von der „bekannten Lobby“, von den „Israelis und ihren Sympathisanten in den USA“, von „manchen Gruppen“. Österreicher verstehen: Die Juden war'ns! Robert Misik