Elefantenrunde im Behördenflur

■ Die Verwaltung gönnt sich Künstlerisches: Bremer Kunst ab heute in den Gängen und Amtsstuben der SKP

„Jetzt ist die graue Verwaltungsmaus ein bißchen bunter geworden“, frohlockte Staatsrat Dr. Johannes Beermann angesichts der Kunst, die in diesen Tagen in seinem Haus, der Senatskommission für das Personalwesen (SKP), Einzug gehalten hat. In den Amtsstuben und Behördenfluren prangen etwa einhundert Werke von StudentInnen der Bremer Hochschule für Künste; noch mal rund hundert Leihgaben stammen aus dem Magazin der Städtischen Galerie. Heute abend gönnt man sich sogar eine richtige Vernissage in der Behörde.

Die HfK-Arbeiten stehen hier unter dem programmatischen Titel „18 Schritte nach Übersee“, sämtlich Werke von StudentInnen des Prof. Wolfgang Schmitz. Ursprünglich für das Übersee-Museum konzipiert, erinnert der Ausstellungstitel denn auch an das kleine Schild vor dem Treppenaufgang zu eben jenem Museum, das in Sichtweite des Amtsgebäudes liegt. Und weil dem so ist, stehen inmitten der Runde der Tagungstische im großen Sitzungssaal der SKP jetzt zwei Elefanten, während an den Wänden 19 Tafeln mit fremdländisch-überseeisch anmu-tenden Figuren entlanglaufen, die „quasi aus dem Überseemuseum herüber in die SKP geflogen kamen und an der anderen Seite wieder zum Fenster hinaus entschwinden“, wie Prof. Schmitz erklärt. Ihm und seinen StudentInnen geht es um die Auseinandersetzung mit jener Art von Fremdheit, die im Übersee-Museum in Form von Trophäen aus kolonialen Zeiten zu sehen ist.

Also das Thema Beutekunst mal anders herum? Diesen Ansatz verfolgte der Hochschullehrer jedenfalls vor einiger Zeit, als er mit seinen StudentInnen Exponate des Übersee-Museums nachbilden und über die Weser „wieder ein Stück zurück in Richtung der Ursprungsländer“ (Schmitz) bringen wollte, zumindest bis Cuxhaven.

Inzwischen ist aus diesem Zurückbringen nur noch eines im übertragenen Sinne geworden. Etwa nach dem englischen Motto „to bring home something to someone“, was laut Schmitz soviel bedeutet wie „jemandem etwas nahebringen“.

Nahegebracht wird jetzt also den Behörden-MitarbeiterInnen die Kunst, aber nicht – wie Dr. Hans-Joachim Manske, Leiter der Städtischen Galerie, betont – auf eine pädagogisierende Weise, sondern mit dem Ziel, „ein ganz normales Leben mit der Kunst zu führen“. Deswegen wird gleich noch eine zweite Ausstellung in der SKP eröffnet. Und während die im Treppenhaus und im Sitzungssaal plazierten Exponate der HfK-StudentInnen doch von eher beiläufiger Qualität sind und auch durch ein noch so herbeigeredetes „Konzept“ nicht wesentlich gewinnen, sind die etwa einhundert Dauerleihgaben aus dem Besitz der Städtischen Galerie, welche die Flure und Amtsstuben des sechsstöckigen SKP-Gebäudes zieren, auf weitaus anspruchsvollerem Niveau angesiedelt.

Das gilt beispielsweise für die kleinen Kreide- und Tuschezeichnungen der Künstlerin Diana Mercedes Alonso mit dem Titel „24. September“, deren reduktionistische Strichführung viel Raum für Assoziationen läßt, oder die wie Keith- Haring-Zitate wirkenden Bilder von Axel Etmer, die über vier Etagen des Gebäudes verteilt sind.

Highlights der Schau sind zweifellos auch Stephan Hasslingers Raum-installation „Von Füßen, Kisten und Zöpfen“ und das „Geiseldrama“ von Zsott Veress. Erstere wurden eigens für den SKP-Flur im 6. Stock geschaffen: skurill-bunte, quer durch den Flur gehängte Objekte aus Keramik, die einen farbigen und lebendigen Gegenakzent zur tristen Atmosphäre der Behördengänge setzen – mehr allerdings leider nicht. Veress' „Geiseldrama“ schürft da schon tiefer. In seinen Texttafeln nimmt sich der Künstler die Sensationsgier der Medien vor. Die Berichterstattung über die tödliche Geiselnahme von Gladbeck verarbeitet er in einer überzeugenden Schrift-Bild-Kombination: Aus zwei großen Tafeln, die wie Grabmale wirken, ragen massive silberne Metallbuchstaben mit Begriffen wie „Silke“ oder „Staatsanwalt“ aus einer diffus übermalten Druckfläche wie wuchtige Erinnerungsbrocken hervor.

Zu entdecken gibt es noch vieles mehr in dieser Präsentation, die naturgemäß äußerst heterogen ausfällt, da es sich bei den Werken der 49 beteiligten KünstlerInnen durch die Bank um solche handelt, die lediglich gemeinsam haben, daß sie allesamt durch die soziale Künstlerförderung finanziert wurden.

Nachdem viele der Exponate des Förderungsprogramms lange Zeit ein – häufig kritisiertes – Schattendasein in irgendwelchen Magazinen gefristet haben, ist ein Großteil jetzt also der Öffentlichkeit zugänglich. Zumindest, wenn man sich traut, an die Amtsstuben zu klopfen und den (vermutlich verdutzten) MitarbeiterInnen zu erklären, man wolle nur mal eben deren Kunst betrachten. Auf den Gängen nämlich hängt nur ein Teil der öffentlich geförderten Kunst. Der Rest dient wohl eher der Erbauung des Behördenpersonals. Eine Präsentationsform, der ein zumindest problematischer Begriff von Öffentlichkeit zugrunde liegt.

Moritz Wecker

„18 Schritte nach Übersee“ und „Leihgaben aus dem städtischen Kulturbesitz“, Eröffnung heute um 19 Uhr in der SKP, Schillerstr. 1