Ist der Peso noch ein Dollar?

Nach der Entlassung von Argentiniens Wirtschaftsminister Cavallo, dem Bezwinger der Inflation, wird über den künftigen Wirtschaftskurs gerätselt  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro (taz) – Rechtzeitig zum Börsenschluß kündigte Argentiniens Präsident Carlos Menem am vergangenen Freitag abend die Entlassung seines Wirtschaftsministers Domingo Cavallo an. Menem versicherte vor der internationalen Presse, daß dies unter keinen Umständen einen wirtschaftlichen Kurswechsel bedeute. „Ich war lediglich der ständigen Rücktrittsdrohungen und Streitereien überdrüssig“, erklärte der Präsident. Als Nachfolger Cavallos ernannte er den ehemaligen Vorsitzenden der argentinischen Zentralbank, Roque Fernandez.

Cavallo gilt als Garant der Währungsstabilität in Argentinien. Seit der von ihm konzipierten Dollarisierung der argentinischen Wirtschaft im April 1991, die die Landeswährung Peso per Gesetz im Wert eins zu eins an den US-Dollar koppelte, gehört die traumatische Erfahrung der Hyperinflation der Vergangenheit an. Die Geldentwertung beschränkt sich zur Zeit auf fünf bis sechs Prozent im Jahr. Die erfolgreiche Inflationsbekämpfung kostete allerdings zwei Millionen Argentinier ihren Job. Die Überbewertung des Peso, Hochzinspolitik sowie massive Privatisierung trieben die Arbeitslosigkeit auf 18 Prozent. Allein beim Verkauf des staatlichen Mineralölkonzerns YPF im Jahr 1994 wurden 50.000 Arbeiter entlassen.

Die argentinische Tageszeitung Clarin macht die politische Rivalität zwischen Menem und Cavallo für das vorzeitige Ausscheiden des Wirtschaftsministers verantwortlich: „Es geht darum, wer die Lorbeeren für die Wirtschaftsreform erntet.“

Der Streit zwischen Menem und Cavallo steigerte sich mit der wachsenden Unzufriedenheit der argentinischen Bevölkerung über den hohen Preis, den sie für die Bekämpfung von Inflation und Haushaltsdefizit zu zahlen hatte. In der vergangenen Woche strich Cavallo das Kindergeld und besteuerte Essensmarken. Gleichzeitig ließ er die Gehälter der Angestellten im Wirtschaftsministerium erhöhen.

„Es bleibt dabei, ein Peso ist ein Dollar“, versuchte Menem nach Cavallos Absetzung den Abwertungsgerüchten zu entgegnen. Die Ernennung von Roque Fernandez als Nachfolger sollte in erster Linie die internationale Finanzwelt beruhigen. Fernandez gilt in Wirtschaftskreisen als ultraliberaler Orthodoxer ohne jegliche politische Erfahrung. Als Zentralbankchef bewahrte er Argentinien im Dezember 1994 vor den verheerenden Folgen der Finanzkrise in Mexiko. Diese Verdienste bei der Abfederung des sogenannten „Tequila-Effektes“ bewogen Menem zu seiner Ernennung als Wirtschaftsminister, nachdem bereits zwei andere Kandidaten das Angebot ausgeschlagen hatten.

Cavallos Entlassung ist der dritte Ministerwechsel innerhalb von zwei Wochen. Verteidigungsminister Oscar Camilion verabschiedete sich, weil er sich vor der Justiz wegen der Verschleierung von Waffenschmuggel nach Ecuador verantworten muß. Justizminister Rudolfo Barra wurde nach Berichten über seine Beteiligung an Attentaten auf Juden und Kommunisten in den 50er Jahren von seiner nationalsozialistischen Vergangenheit eingeholt.

Argentiniens Gewerkschaften feierten den Rücktritt von „Superminister Mingo“, wie Cavallo in Buenos Aires genannt wird, als „ersten wichtigen Schritt für den überfälligen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik“. Die drei größten Gewerkschaftsverbände kündigten für den 8. August einen landesweiten Generalstreik an. Eine Gruppe von Rentnern überfiel bereits am Freitag abend einen Supermarkt und stürmte mit prallgefüllten Plastiktüten auf die Straße. „So fängt es immer an“, meint der argentinische Politikwissenschaftler Hugo Haime. Bei der sozialen Revolte vor Menems Amtsantritt im Jahr 1989 hätten sich dieselben Szenen abgespielt.