Das Portrait
: Ende eines Traums

■ Sarah Balabagan

Wie viele junge Mädchen auf den Philippinen träumte Sarah Balabagan davon, ins Ausland zu gehen und dort viel Geld zu verdienen. Sie wollte der Enge ihres kleinen Dorfes im Süden des Landes enfliehen und der Armut ihrer neunköpfigen Familie.

Auch ohne Ausbildung, das hatte Sarah von früh an gehört, konnte man in Hongkong, Singapur oder den Golfstaaten eine Arbeit finden – als Kindermädchen, Köchin oder Putzfrau. In der Nachbarschaft war leicht zu erkennen, wer eine Tochter oder Schwester in der Ferne hatte: Da waren die Häuser repariert, es gab neue Antennen auf den Dächern und Spielzeug für die Kinder.

Sarah war 15 Jahre alt, als sie 1994 in die Vereinigten Arabischen Emirate reiste. Die falschen Papiere hatten ihr Verwandte besorgt. In ihrem Paß stand: Alter 27 Jahre.

Am 29. Mai traf sie in bei ihrem künftigen Arbeitgeber ein. Am 19. Juli brachte sie ihn um. Der siebzigjährige Mann hatte sie wochenlang bedrängt. Als er sie schließlich vergewaltigen wollte, erstach sie ihn mit 34 Messerstichen. Das Gericht verurteilte Sarah Balabagan im Oktober des gleichen Jahres zu sieben Jahren Gefängnis und sah dabei als strafmildernd an, daß sie in Notwehr gehandelt hatte.

Die philippinische Öffentlichkeit reagierte empört. Als es aber nach Intervention des philippinischen Präsidenten im vergangenen Jahr zu einem neuen Prozeß kam, lautete die Strafe zum Entsetzen der internationalen Öffentlichkeit: Hinrichtung wegen Mordes oder Zahlung eines Blutgeldes von rund 60.000 Mark an die Familie des Getöteten, wenn diese sich mit dem Geld zufriedengäbe.

Eine weltweite Kampagne für Sarah Balabagan entstand. Erst nach einigem Druck von seiten des Sultans der Vereinigten Arabischen Emirate entschlossen sich die Söhne des Arbeitgebers, nicht mehr auf der Exekution des Mädchens zu bestehen. Die Strafe wurde auf 100 Stockhiebe und ein Jahr Haft reduziert.

Nach neun Monaten kam sie frei. Gestern traf sie wieder in Manila ein. Ein philippinischer Unternehmer hatte für Sarah das Blutgeld bezahlt. Die Filmindustrie interessiert sich für ihre Geschichte, mehrere Gönner haben ihr Geld für eine Ausbildung angeboten. Sarah Balabagan hat angekündigt, daß sie jetzt studieren und Anwältin werden will. Jutta Lietsch