Konzept der heißen Nadel?

Für einige Regionen unverzichtbar, doch wie „verläßlich“ ist sie, die „Halbtagsgrundschule“? / GEW will demonstrieren  ■ Von Patricia Faller

Mit dem Theaterstück „Der Regenbogenfisch“ werden die ViertkläßlerInnen der Grundschule Grumbrechtstraße in Heimfeld-Nord die 60 neuen ABC-Schützen am Mittwoch begrüßen. Beim anschließenden Spielen werden die ErstkläßlerInnen ihr PädagogInnen-Team kennenlernen, damit die Knirpse gleich merken, daß Schule und Lernen Spaß machen. Denn, so Schulleiter Rainer Kühlke: „Wenn Kinder mit Freude lernen, lernen sie mehr.“

Dazu hat die Schule schon vor Jahren kürzere Unterrichtsfrequenzen, Bewegung, Entspannung und wieder konzentriertes Arbeiten eingeführt – ein Konzept, wie es auch die umstrittene „Verläßliche Halbtagsgrundschule“ jetzt vorsieht, die in diesem Schuljahr in der Region A mit Harburg, Wilhelmsburg, Bergedorf, Mümmelmannsberg, Finkenwerder und Süderelbe eingeführt wurde. Denn die integrativ arbeitende Grundschule Grumbrechtstraße liegt in einem offiziell ausgewiesenen Gebiet zur Armutsbekämpfung – mit Kindern, die Schwierigkeiten haben, sich lange zu konzentrieren, oder mit sozialen, motorischen und sensorischen Defiziten. „65 Prozent unserer Kinder können nicht auf einem 15 Zentimeter breiten Balken balancieren“, berichtet Kühlke. Und gar 90 Prozent „sind nicht in der Lage, auf einer geschwungenen Linie rückwärts zu gehen.“ Deshalb wurden Geräte für den Pausenhof oder die Turnhalle angeschafft, die den Gleichgewichtssinn fördern sollen.

„Andere Kinder merken nicht, wenn sie jemand anfaßt, erst wenn man den Druck verstärkt.“ Auch sie müssen besonders betreut werden, was zwar auch bisher schon der Fall war. Doch durch die Verläßliche Halbtagsgrundschule, bei der die Kinder von 8 bis 13 Uhr in der Schule sein können, bleibt mehr Zeit dafür, erklärt Rainer Kühlke. Der Schulvormittag lasse sich entspannter gestalten.

„Ich hatte nie das Gefühl, daß mein Kind extrem kaputt aus der Schule kommt“, sagt Anja Jung, die zwei Jahre Elternratsvorsitzende an der Schule war. Die Mutter zweier Kinder, die beide auf dieser Schule waren, hat an dem Konzept für die Verläßliche Halbtagsgrundschule mitgearbeitet: „Ein- und Ausgangsphasen gab es an der Schule auch vorher bereits, ebenso das gemeinsame Frühstück. Und wenn die Lehrer merkten, daß die Klasse unruhig wird, dann haben sie auch bisher schon Pause gemacht.“ Die Bedenken anderer Eltern, daß ihre Kinder dann zu lange in der Schule sind, kann sie nicht teilen.

Die Heimfelder Schule, an der Behinderte in die Klassen integriert werden, gehört allerdings zu den besser ausgestatteten Schulen in der ersten Region. Wegen des hohen Ausländeranteils und der integrativen Arbeit gibt es einen höheren Anteil an Förderstunden, und neben LehrerInnen arbeiten auch ErzieherInnen und SozialpädagogInnen mit, so daß rund 80 Prozent des Unterrichts in einem Zweierteam gehalten werden können. Weil es in diesem Schuljahr nur noch drei und nicht wie bisher vier erste Klassen gibt, kam die Schule ohne KollegInnen anderer Schulen aus. Im Vergleich zu anderen ist sie auch räumlich gut ausgestattet, weil die einstige Grund- und Hauptschule auf eine Grundschule reduziert wurde.

Doch die GEW führte gestern Beispiele dafür an, daß die Situation längst nicht an allen der 51 Schulen, in denen ungefähr ein Viertel der rund 14.700 Hamburger Erstkläßler unterrichtet werden, so positiv aussieht. Eyke Greve, Mitglied der Initiative Altonaer GrundschullehrerInnen, berichtete von Schulen, die immer noch auf ihre Pavillons warteten, oder in denen zwei Klassen in der Aula unterrichtet werden, die lediglich durch eine Trennwand aufgeteilt wurde. Verläßlich sei das Konzept nur, weil sich in ganz Hamburg die schulischen Bedingungen verschlechterten – seit dem vergangenen Jahr hätten sich die Klassenfrequenzen im Schnitt um zwei Kinder in den ersten Klassen erhöht, Förderstunden und 20 Stellen für SonderpädagogInnen seien gestrichen worden – und weil die Eltern im Zweifelsfall für die Betreuung einspringen müssen.

Daß das Konzept mit heißer Nadel gestrickt worden sei, wollte auch der Personalrat für Grund-, Haupt- und Realschulen, Hannes Holländer, verdeutlichen: Als das Umsetzungspotential kurz vor Schulbeginn noch nicht ausreichte, mußten SchulleiterInnen kurzfristig LehrerInnen freistellen, die bereits fest in die eigene Stundenplanung einbezogen waren. Insgesamt seien in der ersten Region 40 LehrerInnen umgesetzt und 25 LehrerInnen aus Grundschulen anderer Regionen abgezogen worden, berichtete Holländer.

Gegen die Rahmenbedingungen der Verläßlichen Halbtagsschule will die GEW deshalb am 6. August in Wilhelmsburg demonstrieren – zusammen mit der ÖTV, der Initiative Altonaer GrundschullehrerInnen, dem alternativen Wohlfahrtsverband SOAL und anderen Initaitiven. Treffpunkt ist um 16 Uhr das Bürgerhaus Wilhelmsburg, die Abschlußkundgebung findet auf dem Stübenplatz statt.