Schwäbisches Weltbürgertum

■ In Holzgerlingen erscheint seit 1989 eine sechssprachige Schülerzeitung

Böblingen (taz) – Kosmopolitisches Flair findet sich nicht nur in Großstädten, auch im schwäbischen Holzgerlingen ist es anzutreffen. Dort erschien unlängst zum elften Mal die Zeitung Defrit. Das besondere an ihr: Sie erscheint in sechs Sprachen, und sie ist eine Schülerzeitung. Auf den jüngsten vier Seiten von Defrit findet sich etwa ein Bericht über die Bedeutung des Fernsehens für Jugendliche auf italienisch, ein anderer Artikel beschäftigt sich in französischer Sprache mit dem Rinderwahn, und ein weiterer auf russisch widmet sich Sicherheitskräften an Schulen.

Ins Leben gerufen wurde Defrit 1989 von der Oberstudienrätin Dominique Fröhlich. Damals veranstaltete ihre Schule, das Schönbuch-Gymnasium von Holzgerlingen im Landkreis Böblingen, zusammen mit der Sindelfinger Lokalzeitung ein Zeitungsprojekt für alle Neuntkläßler. Die ersten beiden Defrit-Ausgaben finanzierte die Europäische Gemeinschaft. Zur Zeit zahlt das baden-württembergische Staatsministerium 1.200 Mark pro Ausgabe, und die Sindelfinger Zeitung sponsert das Schülerprojekt, indem es die Defrit 20.000mal druckt. Auch die ZeitungsleserInnen von Sindelfingen profitieren davon. Exemplare, die nicht an der Schule verteilt werden, liegen ihrer Lokalzeitung bei, der Rest der Auflage wird in die Partnerschulen in Saint-Nazaire, Altamura, Coruña, Montreal und Jekaterinburg, dem Geburtsort Boris Jelzins, geschickt.

Es gibt viel zu tun bei Defrit: Russische, polnische, spanische oder kanadische SchülerInnen schicken Texte, fünf SchülerInnen und Oberstudienrätin Fröhlich korrigieren, redigieren und schreiben kurze englische Zusammenfassungen. „Wichtige Texte werden schon ins Deutsche übersetzt“, erklärt die 17jährige Redakteurin Anne Katrin – in der jüngsten Ausgabe von Defrit handelte der deutschsprachige Artikel von der Todesstrafe.

„Eine Idee hinter Defrit war die Sprachförderung“, sagt Dominique Fröhlich. Am Gymnasium gibt es einen Grundkurs Italienisch, eine der Schülerinnen habe lange in Spanien gelebt, außerdem habe man russische Wörterbücher. Das müsse reichen bei der Bearbeitung der fremdsprachigen Texte. Beschwerden, daß die deutsche Redaktion die schreibenden Mitarbeiter im Ausland schlecht redigiert habe, seien noch nie eingetroffen. Damit, daß stets deutsche Bildunterschriften gedruckt würden, gebe es ebenfalls keine Probleme. Im Ausland sei das Interesse an Defrit allerdings größer als in Holzgerlingen, meint Anne Katrin. Während hier fünf Schüler mitarbeiten, sind es in den Partnerschulen mindestens zehn. In Holzgerlingen dauert es außerdem so seine Zeit, bis die kostenlose Zeitung auf dem Schulhof an die SchülerInnen gebracht ist. Die Schüler der ausländischen Partnerschulen reißen sich die Zeitung hingegen aus den Händen. Probleme haben nur die russischen Schüler aus Jekaterinburg. Der Transport ist schwierig, die Post ist nicht unbedingt zuverlässig.

Doch Dominique Fröhlichs Chef, Studiendirektor Horst-Paul Rybohl, sinnt schon auf Abhilfe: „Ab November, wenn die nächste Ausgabe rauskommt, sind wir im Internet, genauso wie die anderen Schulen, dann können die Schüler direkt miteinander kommunizieren.“ Christian Litz