■ Bonn apart
: Eine glossige Partei
Bloß nicht schon wieder eine Glosse über die SPD, stöhnte die Chefin vom Dienst. Damit mache man es sich nun wirklich zu leicht. Nun gut. Ein Politiker von einer Partei, die wir aus gegebenem Anlaß nicht nennen wollen, hatte eine Idee: Er wollte mal wieder eine Pressekonferenz geben. Das hatte er schon lange nicht mehr getan. Er war mal ein ziemlich bekannter Politiker bei einer anderen Partei. Doch inzwischen geriet er fast in Vergessenheit, über seine Tochter stand mehr in der Zeitung als über ihn. Dann also die Idee, sie war gar nicht mal schlecht. Es ging um die Olympischen Spiele in Atlanta.
Die Spiele waren ja zwischendurch gar nicht gut weggekommen. Da war dieses abscheuliche Attentat, die Busse hatten Verspätung, und zu allem Überfluß gab es zunächst keine Goldmedaillen für das deutsche Team. Also, dachte sich der Politiker, könnte er doch mal in einer Pressekonferenz die Verschwendung deutscher Steuergelder für ein Versagerteam anprangern. Alles wäre gut gegangen. Steuergelder sind immer ein gutes Thema, Verschwendung auch, Versager erst recht – die Medien hätten den Politiker gebührend erwähnt. Doch dann kamen die Kanuten dazwischen. Mit viermal Gold. Auf einmal war Deutschland Dritter im Medaillenspiegel. Die Pressekonferenz mußte abgesagt werden.
Ein Politiker derselben Partei, die wir nicht nennen wollen, war ob der unverhofften Medaillenflut ganz in seinem Element. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, allen Goldmedaillengewinnern ein Glückwunschtelegramm zukommen zu lassen. Und damit nicht genug. Über jeden einzelnen Glückwunsch ließ er durch seine Pressestelle alle wichtigen Medien im Land informieren. Damit die sehen, was für ein patriotischer Mensch er ist, obwohl er am liebsten französisch essen geht. Das gab ein Rattern in den Redaktionsstuben, daß es eine wahre Freude war. Wir mußten einen neuen Ordner anlegen. „Glückwünsche von ...“ Ja, verdammt noch mal. Was kann ich denn dafür, wenn es immer diese gewisse Partei ist, die einen ganz glossig werden läßt? Markus Franz
