"Fußball darf nichts kosten"

■ Der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck über das Recht auf Sportberichte und das Monopol beim Digitalfernsehen: "Ein Kartell unterm Tisch ist nicht akzeptabel"

taz: Sie haben die verregneten Ferien wie viele andere zum Fernsehen genutzt und festgestellt, was viele feststellen: Die Programme sind mies. Unmut des TV-Guckers oder Unmut des Medienpolitikers?

Beck: Beides. Ich habe während des Urlaubs die Pausen von Olympia und die Werbepausen genutzt, um alles mal durchzugucken. Es ist zum Teil ausgesprochen drittklassiger Kram, der da gesendet wird, amerikanische Serien, die einem wirklich die Schuhe ausziehen.

Was heißt das medienpolitisch?

Man muß darauf hinweisen dürfen. Man erwartet von uns, daß wir Begriffe wie Angebotsvielfalt in Rundfunkgesetzen verankern. Da muß man auch mal sehen, was dabei herausgekommen ist.

Anders als klimatisch war es medienpolitisch ein heißer Sommer. Es begann damit, daß Leo Kirch sich mit den Fußball-EM- Rechten einen wichtigen Öffnungshebel für den Pay-TV- Markt sicherte. Sie und andere wollten daraufhin die Sender zur kostenlosen Ausstrahlung wichtiger Sportereignisse verpflichten. Ist das nun im Sand verlaufen?

Nein, das bleibt ein Thema: Die Medienreferenten der Länder prüfen zur Zeit die rechtlichen Möglichkeiten, so etwas zu machen. Das Instrumentarium, das wir in der Hand haben, ist zugegebenermaßen nicht sehr üppig. Wer sich in diesem Feld bewegt, hat Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. Ich werde demnächst mit dem DFB-Vorsitzenden darüber sprechen: Ein führender Verband kann es sich nicht leisten, bei so einer Abstimmung zu fehlen.

Sie werden sich also weiter für eine gesetzliche Lösung einsetzen?

In jedem Fall. Ich denke, daß es ein moralisches und gesellschaftspolitisches Recht gibt, solche Ereignisse sehen zu können, ohne zu bezahlen. So grundlegende Veränderungen im Verständnis von Öffentlichkeit dürfen nicht stillschweigend über die Bühne gehen. Man muß was tun, so lange die Dinge noch gestaltungsfähig sind.

In anderen Fällen hat man den Eindruck nicht. Kurz nach dem Fußballdeal haben Sie sich mit Ihren Ministerpräsidentenkollegen auf die künftigen Rundfunkgesetze geeinigt. Konzentrationskontrolle, sagt der Medienwächter Thomas Kleist, gibt es damit nicht mehr. Sind Sie den TV-Konzernen zu weit entgegengekommen?

Es gab ja massive Kräfte, die wollten gar nichts regeln und im Gegenzug noch einen der öffentlich-rechtlichen Sender zerschlagen. Wenn Sie das sehen, dann sind wir durchaus wieder in eine vernünftige Ebene gekommen. Natürlich hätten wir SPD-Länder eine andere Regelung gemacht. Einige, die jetzt kritisieren, überzeichnen aber. Die 30 Prozent Marktanteil, die die Sender eines Konzerns erreichen dürfen, sind eine wichtige Grenze, wenngleich sie niemanden beschränkt, der derzeit auf dem deutschen Fernsehmarkt ist.

Heute reden die Staatskanzleichefs noch einmal über die Details der sogenannten Fensterregelung. Ist für Sie eine Lösung denkbar, nach der es wegen der Anrechnung von Regionalprogrammen keine Sendungen von Unabhängigen in der Hauptsendezeit geben wird?

Das soll und wird nicht so sein. Bei der Definition der Prime time sind wir uns noch uneinig. Es wird aber darin eine Stunde solcher Sendungen geben.

Bayern legt's anders aus.

Bayern wird sich dem letztlich auch nicht verschließen.

Beim digitalen TV zeichnet sich ein Monopol von Kirch und Bertelsmann ab. Was erwarten Sie von der kartellrechtlichen Prüfung?

An dieser Stelle bin ich hin- und hergerissen. Es wäre für die technologische Entwicklung in Deutschland schlecht gewesen, wenn man sich nicht auf ein System geeinigt hätte. Wenn es aber ein Kartell unterm Tisch geben wird, ist das nicht akzeptabel. Einmal unter Grundsätzen der Wirtschaftskonzentration – das untersucht derzeit das Kartellamt. Aber auch unter Medienkonzentrationsgesichtspunkten.

Man kann aber nichts machen, wenn keiner eine Plattform neben Kirch schafft, weil dem alle Programme gehören.

Diese Fehler sind vor Jahren gemacht worden, auch von den Öffentlich-Rechtlichen, die einen einzelnen Filmhändler groß gemacht haben.

Das neue Fernsehen wird nun ohne bundesweite Regelung eingeführt. Haben Sie die Fragen von morgen vergessen?

Nein. Es gibt auch Regelungen, die sich an wirtschaftlichen Größen orientieren. Natürlich laufen wir bei der rasanten technischen Entwicklung stets hinterher. Mir ist aber ein deutlicher, jedoch begrenzbarer Einfluß von Unternehmen in Deutschland lieber, als der von internationalen Networks, die von außen einstrahlen.

Für ARD und ZDF könnte die nächste Gebührenperiode eine Gnadenfrist sein. Wenn Fußball und Filme Kirch und anderen gehören, und wenn die Quoten des Gebührenfernsehens weiter fallen: Ab wann ist seine Legitimation gefährdet?

Wir haben für die Öffentlich- Rechtlichen eine klare verfassungsrechtliche Grundlage. Und immer, wenn das Verfassungsgericht gefragt wurde, hat es diese Pflöcke noch fester eingerammt. Natürlich müssen sich ARD und ZDF auch aktiv wehren, indem sie einfach gute Programme machen und den Nachweis erbringen, daß sie effizient arbeiten. Die Diskussion um die Öffentlich-Rechtlichen wird von den interessierten Kreisen immer wieder geführt werden. Aber viele stört jetzt schon bei den Privaten die überzogene Werbung. Darum ist es wichtig, daß es ein Korrektiv gibt. Man muß eines deutlich machen: Wenn es das nicht gibt und alles über Werbung finanziert wird, wird nichts Interessantes mehr zu sehen sein, weil das alles über Pay-TV geht.

Stichwort Effizienz. Wie stellen Sie sich denn eine ARD-Neuordnung im Südwesten vor?

Ich habe die Diskussion mit einem eigenen Modell neu angestoßen, das nun Gestalt gewinnt. Wir werden in den nächsten Wochen mit Baden-Württemberg über einen Südwestsender aus SWF und SDR reden. Ende des nächsten Jahres wollen wir das geregelt haben.

Ihr Ziel ist also ein Südwestsender?

Ziel ist ein Sender, an den andere, etwa der Hessische oder der Saarländische Rundfunk andocken können. Ich bin sicher, daß das nicht die letzte Entwicklung dieser Art ist.

Interview: Lutz Meier

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